„frisch“ – Herbstgespräche: Interview mit Andreas Babler (SPÖ)

Rund ein Jahr vor der nächsten Nationalratswahl trafen sich frisch – Chefredakteurin Chiara-Marie Hauser und frisch – Herausgeber Florian Malcher mit einigen Politikern aus Österreich. Die Themenschwerpunkte behandelten aktuelle politische Debatten und besonders die Anliegen junger Menschen in krisengebeutelten Zeiten. In dieser Ausgabe zu Gast: Andreas Babler – Bundesparteivorsitzender der SPÖ.

Frisch: Unser Magazin richtet sich speziell an Jugendliche, viele davon sind politisch interessiert, daher die Frage an Sie: Gab es in Ihrer Jugend bereits Motivationen, sich politisch zu engagieren? Wenn ja, welche waren das? 

Andreas Babler: Ich habe mich schon früh für Politik interessiert, da gab es unterschiedlichste Motive. Am prägendsten war wahrscheinlich, dass ich als Kind einer Semperit-Arbeiterfamilie – Semperit ist ein Industrieunternehmen, das Kunststoffe herstellt – von Anfang an mitbekommen habe, wie die Lebensverhältnisse der Menschen wirklich sind und mit welchen Herausforderungen sie im Alltag kämpfen. Als ich die HTL verlassen habe, hab ich unter anderem als Abfüller in Schichtarbeit gearbeitet. Die Arbeiterin neben mir hat sich genauso abgerackert wie ich, aber am Ende des Monats hat sie ein Drittel weniger Lohn bekommen. Es war damals eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und das ist es heute noch. Das hat mich geprägt, deswegen fordere ich heute Lohngerechtigkeit und verpflichtende Lohntransparenz. Mit 15 oder 16 Jahren bin ich der Sozialistischen Jugend beigetreten. Wir hatten den Anspruch, für andere da zu sein, anderen Menschen zu helfen. Ich war dann später Bundessekretär und auch Vizepräsident der Sozialistischen Weltjugendinternationalen IUSY. In die SPÖ eingetreten bin ich nach einer Veranstaltung zum Gedenken an den 12. Februar 1934. Damals haben Sozialdemokrat*innen einen Aufstand gegen das Dollfuß-Regime versucht, der aber niedergeschlagen wurde. Dass Menschen in schwierigsten Zeiten unter Einsatz ihres Lebens für Bürgerrechte gekämpft haben, hat mich inspiriert.

Auf der Website der SPÖ wird wie folgt festgehalten: „Junge Menschen sind die Zukunft unserer Gesellschaft, deshalb räumen wir den Interessen von Jugendlichen einen besonderen Stellenwert ein.“ Weiters werden Punkte angeführt, die sich besonders um die Bildung drehen und soziale Begegnungsräume thematisieren. Laut aktuellen Studien ist jedoch die Klimakrise als Schwerpunktthema der Jugend anzusehen. Welchen Stellenwert hat dieses Thema im Vergleich zu anderen in Ihrem Wahlprogramm?  

Der Kampf gegen die Erderhitzung hat höchste Priorität. Wir haben die riesige Verantwortung, unseren Planeten für euch, für unsere Kinder und Enkelkinder zu schützen. Die weltweiten Bewegungen junger Aktivist*innen zeigen, dass die Menschen für einen Wandel unserer Produktions- und Lebensweise bereit sind. Dabei darf niemand zurückgelassen werden und niemand soll sich aus den Klimazielen mit Geld freikaufen können. Um die Klimaziele einzuhalten, sind massive Investitionen in den Klimaschutz und die Energiewende notwendig. Dazu will ich einen eigenen Energiewendefonds schaffen: 20 Mrd. Euro für staatliche Investitionen, Förderungen und Beteiligungen. Viel zu lange schon folgt die Politik den Lobbys fossiler Energie und schiebt Lösungen auf die lange Bank. Seit fast 1.000 Tagen warten wir vergeblich auf ein Klimaschutzgesetz. Im August sind große Teile Kärntens und der Steiermark aufgrund der Unwetterkatastrophen unter Wasser gestanden – und Österreich hat als einziges EU-Land immer noch keine verbindlichen Klimaziele. Die Regierung muss endlich liefern. Das sind wir euch, der heutigen Jugend, und euren Kindern und Enkeln schuldig!

Wir stehen 2024 vor einer neuen Nationalratswahl, bei der es sehr viele Erstwähler:innen geben wird. Wie denken Sie, diese junge Wählerschaft für sich zu gewinnen?

Ich kann mich noch gut an meine erste Wahl erinnern. Ich war damals ja schon in der SJ (Sozialistischen Jugend) engagiert und hatte einen guten Überblick über die österreichische Innenpolitik. Ich habe auch oft miterlebt, dass sich junge Menschen gerade vor der ersten Wahl besonders gut informieren, um die aus ihrer Sicht richtige Wahl zu treffen. Unser Programm ist in die Zukunft und daher genau an die Jugend gerichtet. Das betrifft den Klimaschutz, über den wir ja schon gesprochen haben, genauso wie das leistbare Leben, den Zugang zu guter und kostenloser Bildung vom Kindergarten bis zur Uni, unabhängig vom Geldbörsel der Eltern, Verbesserungen bei der Lehre und gleiche Löhne für Frauen und Männer. Ich will, dass junge Menschen Hoffnung und Perspektiven haben. Ich erlebe auf meiner Tour durch ganz Österreich gerade viele junge Menschen, die sich unserer Bewegung anschließen und die mit ihrer Energie und Leidenschaft bei uns andocken, weil sie spüren, wie wichtig sie der Sozialdemokratie sind. Gemeinsam stehen wir für ein gerechtes Österreich ein!

Sie haben sich vor einigen Jahren sehr kritisch zur Europäischen Union geäußert. Wie wichtig halten Sie heute diese Institution? Sehen Sie Österreich als fixen Bestandteil der künftigen EU an?

Natürlich ist Österreich fixer Bestandteil der EU. Die Europäische Union ist eine Errungenschaft und ein wichtiger Schalthebel, um die Verhältnisse der Bürger*innen ganz konkret zu verbessern. Klar ist, dass es hier noch viel Luft nach oben gibt: Die EU hat ihr Wohlfahrtsversprechen nicht gehalten. Konzern- und Kapitalinteressen haben immer noch immer Vorrang. Das muss sich ändern. Zum Beispiel muss konsequent gegen Steuerflucht gekämpft werden, denn Milliarden Euro gehen jedes Jahr verloren, weil Konzerne ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Dieses Geld fehlt für Bildung, Infrastruktur, die Energiewende und Soziales. Ich kämpfe für ein soziales und gerechtes Europa, in dem die Bedürfnisse der Vielen über den Profiten einiger Weniger stehen. Dass kürzlich ein Lieferkettengesetz durchgesetzt wurde, das Konzerne endlich verpflichtet, nachzuweisen, unter welchen Bedingungen produziert wird, ist ein Erfolg, genauso wie Verbesserungen bei der Lohntransparenz. So geht es in die richtige Richtung. Klar ist: Nur gemeinsam können wir die großen Herausforderungen unserer Zeit lösen. Vom Klimawandel über Steuergerechtigkeit, die Zukunft der Arbeit, die große Schere zwischen Arm und Reich in Europa bis hin zur Digitalisierung und Migration.

Wer aktuelle Meldungen in Österreich verfolgt, kommt am Thema der “Normalität” nicht vorbei. Wie definieren Sie den Begriff in der aktuellen politischen Debatte? Für wie angebracht halten Sie diese Debatte überhaupt? 

Die von der ÖVP losgetretene Debatte darüber, was normal ist und was nicht, ist für mich entbehrlich. Für uns Sozialdemokrat*innen ist es normal, für die Leute da zu sein, die Unterstützung brauchen und die es sich nicht selbst richten können im Gegensatz zu denen, die Millionen am Konto haben. Genau hier hat die Bundesregierung versagt und in Zeiten der Rekordteuerung nicht einen einzigen Preis gesenkt, um das alltägliche Leben wieder leistbar zu machen. Normal ist für mich auch, dass die, die superreich sind, einen fairen Beitrag für die Gesellschaft und zu unserem Sozialstaat beitragen sollen. Normal ist auch, alles zu tun, damit die Menschen keine Angst vorm Monatsende und vorm täglichen Lebensmitteleinkauf haben. Indem wir zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel abschaffen und die letzten Mieterhöhungen zurücknehmen sowie die kommenden aussetzen. Die Frage ist eher, ob es normal ist, dass die Regierung nur zuschaut und nichts tut?

Das SPÖ-Lager sieht sich aktuell gespalten, wir stehen im kommenden Jahr jedoch vor einer Wahl. Wie kann trotz dieser Spaltung und organisatorischer Debakel auch eine Vertrauensbasis zur Jugend gepflegt werden, wenn so fahrlässig bei SPÖ internen Wahlen umgegangen wird?

So etwas wie der von euch angesprochene Fehler darf sich nicht wiederholen. Das werden wir in Zukunft sicherstellen. Ich verharre aber nicht in der Vergangenheit, sondern bin ein extrem in die Zukunft gerichteter Mensch. Ich bin angetreten, um ein Comeback der Sozialdemokratie zu starten und wieder für mehr Gerechtigkeit im Land zu sorgen. Um die Dinge geradezurücken und ganz konkrete Verbesserungen für die Menschen zu erreichen. Ich will wieder Einigkeit in unserer Partei. Dass es Einigkeit gibt, haben wir beim letzten Parteivorstand gesehen, wo wir einstimmig unser Modell für gerechte Millionärssteuern beschlossen haben. Eine Millionärssteuer würde jährlich bis zu 6 Milliarden Euro bringen – Geld, das wir dringend für die Senkung der Steuern auf Arbeit, für die Bildung und für das Gesundheitssystem benötigen. Dieser Kampf für Gerechtigkeit macht uns aus und schweißt uns zusammen. Was die Jugend betrifft, so habe ich eine sehr gute Vertrauensbasis zu unseren Jugendorganisationen und bekomme auch viel Zuspruch von jungen Mitgliedern. Viele junge Leute kennen ja nur Schwarz-Blau, Sozialkürzungen und düstere Aussichten. Es ist Zeit, diese finstere Periode zu beenden und zur Gerechtigkeit zurückzukehren. Ich lade euch, liebe Leserinnen und liebe Leser, ein: Beteiligt euch, bringt euch ein mit all euren Ideen und eurer Leidenschaft. Gemeinsam können wir die Sozialdemokratie wieder so stark machen, dass sie wieder das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser machen kann.

Wir bedanken uns bei Andreas Babler fürs Gespräch!

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