Behind the scenes – Sexueller Missbrauch in der Filmbranche

Mehrmals im Jahr hört man von neuen Missbrauchsfällen in der Filmbranche, regelmäßig von durchaus prominenten Persönlichkeiten. Aktuell gibt es rund um Schauspieler Florian Teichtmeister einen großen Skandal, wegen seines Besitzes von Kinderpornographie. Vor einigen Monaten stand auch Ulrich Seidl sehr präsent in den Medien. Bei ihm hagelte Kritik wegen seines Umganges mit Kinderschauspielern auf einem Filmset, der zu allem Unglück noch von Pädophilie handelt. Dieser Artikel soll zeigen, weshalb gerade in der Filmbranche sexueller Missbrauch noch so Gang und Gebe ist und wie es „behind the scenes“ wirklich aussieht.

Doch die beiden sind nicht die Einzigen. In Amerika: Kevin Spacey, Harvey Weinstein; um gar nicht so weit zu gehen: Germanys Next Topmodel und neuerlich auch die Wiener Filmakademie sind des Missbrauchs beschuldigt worden.

Die Erfolgsgeschichte des Films, der seit dem Anfang des letzten Jahrhunderts mehr und mehr zum dominantesten Unterhaltungsmediums unserer Gesellschaft wurde, liegt zu einem Großteil am geglückten Versuch, die Realität darzustellen. Das ist in Wahrheit seine einzige Magie, denn egal ob Spielfilm, Doku oder sogar Reality TV, es ist letzten Endes immer ein Fake. Ein Fake, oder schöner ausgedrückt, eine Metapher, die den Anschein der Realität erwecken soll. Auf der Suche nach dieser Perfektion verwirklichen sich eine Unzahl talentierter Regisseure, Produzenten und Darsteller, die mit allen Mitteln nach einer glaubwürdigen Performance streben. Als bekanntes Beispiel brachte Stanley Kubrick seine Hauptdarstellerin im Horrorklassiker „Shining“ durch verbale und psychische Gewalt in eine Rolle, in der der Horror nicht mehr gespielt werden musste.

Daraus folgt, dass besonders beim Arbeitsverhältnis zwischen Regie und Schauspiel wenig Grenzen gelten. Darsteller werden auf immer neue kreative Weisen inszeniert, wobei die zwischenmenschliche Behandlung oft als sekundär erachtet wird. Nun kommen zur Schauspielkunst noch Tonleute, die ihre Mikrofone in der Unterwäsche verstecken, und Kameraleute, die sie auf Kommando herumtanzen lassen. Dieser Umgang an sich ist aber nicht per se etwas Schlechtes und gehört zum Alltag eines Schauspielers. Vielmehr ist all dies notwendig dafür, dass jedes Department seine Arbeit erfüllen und zu einem guten Endprodukt beitragen kann. Doch es bietet auch die perfekte Grundlage für Missbrauch.

Letztlich zeigen die oben genannten Medienberichte, dass es tatsächlich oft so weit kommt. Die beschriebene Arbeitsweise allein reicht dazu aber noch nicht aus. Den Funken am Pulverfass bietet eine im Film heute immer noch sehr steile Hierarchie. Es sei kurz erwähnt, dass sehr viele Bestrebungen gerade der jüngeren Generationen bestehen, diese etwas abzuflachen. Aber wenn ein weltberühmter Hollywood Star neben einem vielleicht sechzehnjährigen Statisten steht, ist schon deutlich, dass sie sich nicht auf Augenhöhe begegnen.

Das bringt uns schon zu den inoffiziellen Privilegien. Da sind zum einen die Hauptdarsteller, die mit ihren berühmten Gesichtern den Film tragen und vollkommen unersetzbar sind. Angenommen Tom Hanks schmiss in der Mitte von „Forrest Gump“ das Handtuch, es wäre unmöglich irgendeinen anderen Protagonisten hinzustellen. Somit können sich Hauptdarsteller aber auch in geringerem Ausmaß Moderatoren und andere Stars bei Gastauftritten alles erlauben, ohne dass Konsequenzen realistisch werden.

Zur zweiten mächtigen Gruppe gehört die Regie. Zwar haben Regisseure selten einen vergleichbaren Star-Rang wie die Hauptdarsteller, doch sind sie die Chefs am Set. Die Regie hat absolute Befehlsgewalt, und was da angeordnet wird, muss ohne jedes wenn und aber befolgt werden. Die Sinnhaftigkeit oder moralische Richtigkeit infrage zu stellen, ist für die kleinen Arbeiter nicht ratsam.

Zuletzt bleiben noch die Produzenten. Dieser Gruppe gehört nicht nur der Film, sondern sie hat die in der Praxis sehr wichtige Aufgabe der Teamzusammenstellung. Wer von einem Produzenten engagiert werden möchte, darf auf keinen Fall schlecht in Erinnerung geblieben sein. Und es möchten eine Menge Leute ein Stück vom Kuchen haben. Auch gibt es nur eine sehr geringe Zahl großer Produktionsfirmen. In ganz Österreich hört man bei acht großen Firmen, die noch dazu untereinander oft gut vernetzt sind, bereits langsam zu zählen auf. Wer bei einem davon als „problematisch“ abgestempelt wurde, braucht es mit einer Karriere im Grunde gar nicht mehr versuchen.

All dies klingt nun ganz fürchterlich, doch soll auch erwähnt werden, dass sexuelle Gewalt den meisten natürlich trotz all dem zuwider ist. Grundsätzlich versammeln sich hier ein Haufen sehr lieber Leute, die zusammen an einem Produkt arbeiten, von dem sie wissen, dass es mit Respekt und Rücksicht am besten zu erreichen ist. Doch hin und wieder verhalten sich oft Angehörige der benannten Gruppen in einer unangemessenen Weise. Nun ist die Zurechtweisung in der beschriebenen Hierarchie kaum möglich, sich gerichtlich zu wehren, noch weniger. Doch wir sollten nie das Handtuch werfen und aufhören für ein besseres Miteinander einzustehen, sowohl im Berufsleben als auch im privaten Umfeld.

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