Seit der Einführung des Klimatickets steigen viele Österreicher*innen auf öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn um. Statt „Alles einsteigen!“ hieß es jedoch in den letzten Wochen und rundum die Feiertagen vermehrt „Alles aussteigen!“. Überfüllte Fernverkehrszüge hatten zur Folge, dass Fahrgäste mit einem gültigen Fahrschein den Zug verlassen mussten.
Grundsätzlich sind volle Züge ein Zeichen dafür, dass die Menschen hierzulande die öffentlichen Verkehrsmittel fleißig nutzen. Umweltfreundliches Reisen liegt im Trend – und das bei Jung und Alt. Das Verreisen war noch nie so einfach wie heute. Eine passende Verbindung über eine Handyapp suchen, anschließend in den entsprechenden Zug einsteigen und es sich auf einem freien Sitzplatz gemütlich machen. Während der Fahrt liest man ein gutes Buch oder hört Musik und genießt die Reise. Ganz ohne rote Ampeln oder Verkehrsbeeinträchtigungen auf den Straßen. Niemand, der einem gefährlich auf der Autobahn überholt oder ohne Sicherheitsabstand aufdrängelt. So die Theorie, die Praxis gestaltet sich hürdenvoller als gedacht.
„Alles aussteigen!“ statt „Alles einsteigen!“
In letzter Zeit war von der Idylle einer entspannten Bahnreise jedoch kaum die Rede. Wir erinnern uns an die vergangenen Feiertage. Die Bilder von überfüllten Zügen und Bahnhöfen verbreiteten sich in den sozialen Netzwerken rasant. Statt „Alles einsteigen!“ hieß es in so manchen Zügen „Alles aussteigen!“. Der Grund waren überfüllte Fernverkehrszüge. „Gerade im grenzüberschreitenden Fernverkehr – sowohl in den Tag- und Nachtzügen – sowie rundum die Feiertage sehen wir aktuell eine besonders starke Nachfrage“, berichtet ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder.
Die einzige Konsequenz war, Fahrgäste mit einem gültigen Fahrschein, aber ohne Sitzplatzreservierung aus dem Zug zu bitten. Die Schauplätze dieser Maßnahmen waren vor allem die Süd- und Westbahnstrecke. Als Begründung für diesen Schritt gab die ÖBB „sicherheitstechnische Gründe“ an. Ein Zug wird als überfüllt eingestuft, wenn die Sicherheitseinrichtungen nicht mehr zugänglich sind. Die ÖBB verzeichnet nach den coronabedingten Rückgängen der letzten beiden Jahre einen Anstieg der Fahrgastzahlen. „Die Fahrgäste kommen wieder zurück und setzen zum Pendeln, für berufliche Fahrten, aber besonders für touristische Reisen verstärkt auf die Bahn„, teilte ÖBB-Pressesprecher Bernhard Rieder gegenüber frisch mit. Für den Privatanbieter Westbahn kommen die steigenden Nachfragen nicht überraschend. Ines Volpert, Marketingleiterin und Unternehmenssprecherin der Westbahn meint, dass die stark wachsende Nachfrage infolge des Zurückgehens von Corona und der hohen Verkaufszahlen des Klimatickets vorauszusehen war.
Verärgerte Bahnreisende
Die Fahrgäste, welche mit einem gültigen Ticket, aber ohne Sitzplatzreservierung den Zug verlassen mussten, waren nicht gerade in der Stimmung, Freudensprünge zu machen. In den sozialen Netzwerken schilderten betroffene Reisende von ihren Erfahrungen und Erlebnissen. Viele von ihnen mussten auf alternative Zugverbindungen ausweichen und harrten währenddessen am Bahnhof aus. „Aufgrund einer zu hohen Anzahl an Reisenden im Zug ohne Sitzplatz kann die Fahrt aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgesetzt werden. In diesem Fall fordern wir Personen ohne Sitzplatz beziehungsweise Sitzplatzreservierung auf, wieder aus dem Zug auszusteigen. Diese Fahrgäste werden dann gebeten, auf die nachfolgenden Züge auszuweichen“, begründet Bernhard Rieder die Vorgangsweise der ÖBB.
„Achtung! Starker Reisetag – Sitzplatzreservierung empfohlen“
Eine Reise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wird häufig mit einer Fahrplanapp wie die ÖBB Scotty-App geplant. Start- und Zielbahnhof sowie die gewünschte Abfahrtszeit werden eingegeben – und die App sucht die passende Verbindung. In der letzten Zeit werden bei stark benutzten Strecken wie etwa die Süd- und Westbahnstrecken folgende Hinweise angezeigt: „Achtung! Starker Reisetag – Sitzplatzreservierung empfohlen“ oder „Achtung: Starker Reisetag/Keine Mitnahmegarantie ohne Reservierung“. Einen Sitzplatz im Zug kann man bei der ÖBB für drei Euro reservieren. Diese Zusatzkosten für Sitzplatzreservierungen stoßen Klimaticket-Besitzer*innen sauer auf – sie beklagen diese Mehrkosten. Die ÖBB reagierte bei der Einführung des Klimatickets mit einem Sitzplatz-Abo. Für zwanzig Sitzplatzreservierungen zahlt man 48 Euro. Ein deutlich attraktiveres Angebot bietet hingegen die Westbahn ihren Kund*innen an. Klimaticket-Nutzer*innen können in der Westbahn einen Sitzplatz kostenlos reservieren und haben zusätzlich die Möglichkeit, ein Upgrade von der „Standard Class 2. Klasse“ auf die „Comfort Class 2. Klasse“ ohne Aufpreis zu machen.
Screenshot: ÖBB Scotty-App
„Zugräumungen sind in den zehn Jahren unseres Bestehens noch nie vorgekommen“, teilt Ines Volpert mit und fügt hinzu: „Unsere Fahrgäste wissen zu schätzen, dass wir Fahrzeuge mit sehr hoher Kapazität mit mehr als 500 Sitzplätzen haben“ (Anm. Stadler, KISS 3 Garnitur). Für Fahrgäste der Westbahnstrecke bietet die Westbahn ein Gegenangebot zur ÖBB. Für alle anderen Bahnstrecken Österreichs heißt es noch vorerst, einen Sitzplatz für drei Euro zu reservieren. Neben einem gültigen Fahrschein ist die kostenpflichtige Sitzplatzreservierung die einzige Möglichkeit, an stark genutzten Tagen eine garantierte Mitfahrt in Fernverkehrszügen zu haben.
Foto: © Westbahn
Planungen für den Sommer
Die ÖBB planen eine offensive Bewerbung von Reservierungsangeboten für Standard- und Klimatickets. Außerdem sollen Entlastungszüge und erweiterte Zuggarnituren an Tagen mit besonders vielen Reisenden eingesetzt werden. An starken Reisetagen soll es laut ÖBB Pressesprecher Bernhard Rieder zusätzliche Bereitstellungen von Ersatzzügen und -bussen sowie zusätzliches Zug- und Sicherheitspersonal geben. Auch die Westbahn plant ihren Fahrplan zu verdichten. „Zum 12. Juni gibt es eine weitere Ausweitung, dann sind wir im Halbstundentakt mit wenigen Lücken unterwegs„, so Ines Volpert, Marketingleiterin und Unternehmenssprecherin der Westbahn.