Zwischen Toleranz und Akzeptanz

Im folgenden Beitrag sind Personen aus der LGBTIQ*-Community interviewt worden, um ihre Sicht auf aktuelle Debatten anlässlich des Pride Month sowie ihre Erfahrungen mit der Gesellschaft zu verdeutlichen. Ihre Namen wurden anonym gehalten.

Zwischen Toleranz und Akzeptanz liegen Welten. Toleranz sei gleichzusetzen mit Duldung nach dem Motto: „Mach was du willst, aber behalte es für dich“. Hier finde kein Dialog statt, sondern ein nebeneinander her leben, so die Betroffenen. Akzeptanz sei, wenn man sich mit etwas auseinandergesetzt hat und etwas gutheiße beziehungsweise annehme – und das sei es, was die LGBTIQ*-Community möchte.

„Ich hatte bis jetzt zwei Beziehungen und ich kann an den Fingern abzählen, wann ich öffentlich mit meinem Freund beziehungsweise mit meinem Ex gezeigt habe, dass wir uns lieben.“
Zitat eines Betroffenen

Stattdessen fühlt sich die LGBTIQ*-Community in der Öffentlichkeit selten willkommen: „Ich finde es absurd, dass viele Menschen denken, dass sie gar eine gewisse Weltoffenheit signalisieren, wenn sie queere Personen ‚tolerieren‘, aber davon nichts im öffentlichen Leben mitbekommen wollen. Wir alle haben es verdient, mit unseren Partner*innen offen und stolz durch die Straßen zu ziehen. In Österreich gibt es noch immer einen großen Kern an Leuten, die eine Sichtweise haben, dass sie das nicht tolerieren, wenn es vor ihren eigenen Augen passiert.“

Politik und Gesellschaft unter Zugzwang

In einem Punkt sind sich alle befragten Personen einig – mangelnde Initiative durch die Politik. Beispielsweise ist das Blutspendeverbot für homo- und bisexuelle Männern bis heute nicht aufgehoben und sogenannte Konversionstherapien – sprich Psychotherapien mit dem Ziel der Umpolung von homosexuellen zu heterosexuellen Neigungen – sind 2021 in Österreich noch immer erlaubt.

„Als junge lesbische Frau sehe ich mich in meiner derzeitigen Situation nicht vor dem Gesetz benachteiligt. Vor der Einführung der Ehe für alle hätte ich dies sicher anders gesehen. Und ich finde es sehr bedauerlich, dass es erst durch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs überhaupt dazu gekommen ist.“
Zitat einer Betroffenen

Ein Befragter erklärt, dass das gesellschaftliche Klima die größte Baustelle für die LGBTIQ*-Community ist. Noch immer ist sie mit Anfeindungen, Gewalt und Diskriminierung konfrontiert. In der EU liegt Österreich bei der Häufigkeit von gewalttätigen Übergriffe auf die LGBTIQ*-Community über dem Durchschnitt. Im Zuge einer LGBTIQ*-Umfrage der EU-Grundrechteagentur hat sich herausgestellt, dass jede neunte befragte Person in Österreich in den letzten fünf Jahren einem physischen Übergriff ausgesetzt gewesen ist. Außerdem haben 40 Prozent der österreichischen Teilnehmer*innen 2020 eine Diskriminierungserfahrung am Arbeitsplatz erlebt und 60 Prozent der befragten homosexuellen Pärchen geben an, aus Angst in der Öffentlichkeit nie Händchen zu halten.

Wirkung der Sprache beachten

Ebenso müsse auf unsere Wortwahl geachtet werden, wenn es um die Akzeptanz der LGBTIQ*-Community gehe. Begriffe wie „Schwuchtel“ seien an sich keine Beleidigung, dennoch werden sie als Beleidigung und Diffamierung verwendet. Somit werde unserer Sprache zu diskriminierenden Zwecken instrumentalisiert.

„Unsere Sprache macht viele Teile der Gesellschaft zurzeit einfach nicht sichtbar.
Die Communitiy beklagt die Wortwahl

Ein anderer Punkt sei das Gendern. Das Gendern werde noch immer vom Großteil der Bevölkerung nicht angenommen. Das sei zwar nicht gleichzusetzen mit einer negativen Abwertung wie einer Beschimpfung, sei aber durchaus problematisch, da Sprache und die Art, über etwas zu sprechen oder eben nicht zu sprechen, unser Denken und Handeln sehr stark beeinflusse. Sichtbarkeit sei also auch in der Sprache ein ganz zentraler Aspekt und sei gerade bei LGBTIQ*-Personen ganz eng verknüpft mit der persönlichen Identität.

Im Kampf um LGBTIQ*-Rechte nicht nachlassen

Zur Frage, wie sich die Position der LGBTIQ*-Community in der Gesellschaft in den letzten Jahren entwickelt hat, meint eine Befragte: „Derzeit habe ich den Eindruck, dass das Thema Menschrechte – wo die LGBTIQ*-Rechte dazugehören – wieder mehr Aufmerksamkeit bekommt. Gleichzeitig laufen aber in konservativeren Ländern die Entwicklungen in die falsche Richtung. Die jüngsten Ereignisse in Ungarn bereiten mir daher große Sorgen. Und es zeigt, dass Veranstaltungen wie die Regenbogenparade noch immer von höchster Wichtigkeit sind.“

„Menschen außerhalb der LGBTIQ*-Community denken, dass eine Benachteiligung nicht mehr vorliegt, obwohl dies noch immer der Fall ist.“

Die verbesserte Position der LGBTIQ*-Community in der Gesellschaft sei für einen anderen Befragten auf die Globalisierung, queere Stars und die Sichtbarkeit queerer Leute im alltäglichen Leben zurückzuführen: „Menschen trauen sich endlich, ihr Leben souverän zu leben, da sie gesehen haben, wie andere das tun, so zum Beispiel auf Facebook, Instagram, Netflix und Co. Der Mensch hat – mithilfe der modernen Technologie – sich selbst eine Bühne geschaffen. Eine Regenbogen-Bühne, quasi.“

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