Schon wieder ein neuer Kanzler – Was folgt auf eine Dekade Sebastian Kurz?

Ein solcher Tag ist im Jahr 2021 mittlerweile kaum mehr eine Überraschung. Man wirft morgens einen Blick in die Nachrichten und sieht, dass eine Pressekonferenz für den späten Vormittag angesetzt ist, da eine Personalrochade in der Regierung ansteht.

Nun steht wieder Sebastian Kurz im Mittelpunkt, da nach seinem Schritt zur Seite nun der endgültige Schritt aus der Politik folgt. Diese Entscheidung bleibt voraussichtlich nicht ohne innenpolitische Folgen.

Rekordhalter der Republik

Egal wie man Kurz‘ politisches Wirken persönlich beurteilt, eines kann man nicht leugnen: Sebastian Kurz hat in den letzten zehn Jahren in diversen Amtspositionen der Republik seinen Stempel aufgedrückt. Er war immer der Jüngste beziehungsweise Erste, der bestimmte staatstragende Ämter innehatte. Mit 24 Jahren bereits Staatssekretär für Integration, drei Jahre später Außenminister und mit gerade einmal 31 Jahren jüngster Bundeskanzler Österreichs. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat er als jüngster amtierender Staatschef auch international den Sprung ins Rampenlicht geschafft.

Schlussfolgernd war Kurz, wenn man die Kehrseite seiner Karriere betrachtet, auch zweimal jüngster Ex-Kanzler. Seine Zeiten als Regierungschef waren geprägt von einer, im Vergleich zur alten ÖVP, rechteren Politik, deutlich zu erkennen beim Thema Migration, wie man kürzlich erst im Afghanistankonflikt sehen konnte. Zusätzlich werden diverse gesprengte Regierungen im Gedächtnis bleiben. Besonders brisant war natürlich die Koalition mit der FPÖ, die nach dem Auftauchen des „Ibiza-Videos“ an einem Misstrauensvotum zerbrach. In den vergangenen Monaten war vor allem sein Clinch mit der Justiz ein Dorn im Auge des Koalitionspartners. Die Meinungen der Österreicher*innen zu seiner Person waren oftmals gespalten. Für die einen galt er als Messias und Retter der Nation, für andere jedoch als große Gefährdung und die Verbildlichung eines Rechtsrucks. Die Untersuchungen gegenüber seiner Person im Bezug auf Inseratenaffären waren schlussendlich wohl zu viel des Guten und sind ihm nun zum Verhängnis geworden. Er selbst begründet seinen Rücktritt damit, dass seine Leidenschaft für die Politik verloren gegangen sei und sich zukünftig mehr seiner Familie widmen möchte.

Kurz‘ Hinterlassenschaft

Man könnte sich denken, dass dieser Rücktritt ein parteiinternes Problem ist, da Sebastian Kurz sowieso keine Regierungsfunktion mehr innehatte. Gesucht wird ja eigentlich ein neuer Parteiobmann und nicht automatisch ein neuer Bundeskanzler. Jedoch stellte sich immer klarer heraus, dass Alexander Schallenberg eine „Vertretung“ für Sebastian Kurz war, also eine Art „Kanzler auf Zeit„. Fast schon eine skurrile Wendung des Schicksals, da erst wenige Stunden vor der Pressekonferenz der Begriff „Schattenkanzler“ zum Wort des Jahres gewählt wurde. Schallenberg selbst hat sein Amt sogar zur Verfügung gestellt und bekannte sich dazu, dass der neue ÖVP-Chef auch Kanzler sein sollte. Mehr und mehr wendet sich die „türkise“ ÖVP wieder zur alten, „schwarzen“ ÖVP hin, da nun auch langjährige türkise Freunde, wie etwa Finanzminister Blümel, aus der Bundesregierung ausscheiden. Dieser wird durch den bisherigen Staatssekretär Magnus Brunner ersetzt. Doch auch Bildungsminister Heinz Faßmann wird von Martin Polaschek, dem bisherigen Rektor der Uni Graz abgelöst. Hier mangelt es ebenfalls nicht an Zündstoff. Aus einer offiziellen Aussendung heißt es, dass Faßmann sein Amt freiwillig niedergelegt hat, er selbst bestreitet dies allerdings.

Austrias Next Kanzler – Die Neuauflage

Somit wird wieder eine neue Person Österreichischer Kanzler. Nachdem Werner Faymann im Jahr 2016 abgelobt wurde, sind bisher sechs verschiedene Kanzler und eine Kanzlerin vereidigt worden und nun folgt der Nächste. Karl Nehammer wurde am Vormittag des 3. Dezembers zum neuen Parteichef der ÖVP gewählt und damit auch zum designierten Bundeskanzler. Zuletzt hatte er das Amt des Innenministers inne. Auf ihn folgt der niederösterreichische Landespolitiker Gerhard Karner, der als Meister der Kommunikation gilt. Nehammer ist vor allem durch seine strenges Auftreten und seine harte Linie in der Migrationspolitik bekannt. Nach dem Erstellen der Islamlandkarte in Österreich, Versäumnissen in der Prävention zum Attentat von Wien und teils unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen erntete er reichlich Kritik. Weggefährten bezeichnen den ehemaligen Soldaten als zielstrebig und pflichtbewusst. Eigenschaften, die in seinem öffentlichen Auftreten nicht unbemerkt bleiben. Es bleibt mit Spannung zu warten, wie er sich in seiner neuen Position der Öffentlichkeit präsentiert.

Sicher ist jedoch, dass weder er noch seine neuen Minister eine Schonfrist bekommen. Das Land steckt mitten in einer Pandemie, die nicht nur ein wirtschaftliches Drama zur Folge hat, sondern vor allem Tag für Tag Menschenleben fordert. Die ÖVP hofft nun mit Karl Nehammer eine gute Personalie gefunden zu haben, die eine Mischung aus türkiser Volkspartei und der klassischen „schwarzen“ ÖVP verkörpern soll. Die Oppositionsparteien geben der neuen Regierungskonstellation keinen Vertrauens- sondern einen Misstrauensvorschuss und verlangen, dass sie sich mehr den Problemen der Menschen in Österreich widmen und weniger den innerparteilichen. FPÖ und SPÖ würden Neuwahlen im kommenden Frühjahr sogar befürworten beziehungsweise halten diese für unausweichlich. In dieser Frage sind jedoch die Grünen am Ball. Vizekanzler Kogler betont immer wieder die gute Gesprächsbasis, die er mit Karl Nehammer pflegt, jedoch sind einige Politiker*innen des ÖVP-Koalitionspartners mit der Personalie Nehammer äußert unzufrieden. Immerhin liegen die Politik des designierten Kanzlers und die Grundwerte der Grünen Partei in Kernfragen meilenweit auseinander.

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