Im Zuge der Plenarsitzungen im Juli traf „frisch„-Redakteur Markus Gratzer den ÖVP-Nationalratsabgeordneten Andreas Hanger zum Interview. Die Gesprächsthemen waren unter anderem der Ibiza-Untersuchungsausschuss sowie die Koalitionsarbeit zwischen ÖVP und Grünen. Außerdem erzählt Andreas Hanger, dass er sich vorstellen könne, beim nächsten Untersuchungsausschuss die Rolle des Fraktionsführers wieder zu übernehmen.
Markus Gratzer (frisch): Was reizt Sie an der Politik?
NAbg. Andreas Hanger (ÖVP): Die Möglichkeit, etwas zu gestalten, hat mich schon immer motiviert – und das ist das Schöne an der Politik. Zum Beispiel: In unserer Gemeinde brauchten wir einen Kinderspielplatz. Wir haben dann beschlossen, selbst einen zu bauen. Dabei organisierten wir das ganze Material und die Leute, die uns dabei helfen sollten. Wir haben nicht viel geredet, sondern einfach getan. Je höher die Ebenen werden, desto abstrakter wird Politik.
Inwiefern ist die Bundespolitik abstrakter?
Hanger: Auf Bundesebene setzt man sich zum Teil mit sehr komplexen Materien auseinander. Wie zum Beispiel das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, wo es darum geht, die Energiewende zu schaffen. Wenn ich mir dieses Gesetz ansehe, dann ist das eine hochkomplexe Materie. Da stecken Mechanismen dahinter, die intensiv ausverhandelt werden müssen. Da gibt es viele Experten, die ein hohes Wissen einbringen. Also zwischen dem Bau eines Kinderspielplatzes und einem Gesetz, mit dem die Energiewende geschafft werden soll, besteht naturgemäß ein großer Unterschied.
Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition im Ibiza-Untersuchungsausschuss?
Hanger: Die Zusammenarbeit ist sehr angespannt. Auch mit unserem Koalitionspartner: Dieser verweist immer darauf, dass sich dieser Ausschuss auf die Vorgängerregierung bezieht.
Und wie funktioniert die Koalitionsarbeit außerhalb des Untersuchungsausschusses?
Hanger: Wir haben ein gutes Regierungsprogramm. Bei den Zukunftsthemen gibt es eine große Übereinstimmung, wie zum Beispiel die Ökologisierung des Steuersystems, ein zentrales Vorhaben dieser Koalition. Natürlich gibt es hin und wieder unterschiedliche Meinungen, der Ibiza-Untersuchungsausschuss gehört dazu. Politik ist, am Ende des Tages miteinander zu reden. Die Position des anderen zu verstehen – und wenn man die Position des anderen verstanden hat, dann kann man eine Lösung finden.
„Politik ist, am Ende des Tages miteinander zu reden.“
NAbg. Andreas Hager (ÖVP)
Wie sind Sie zu Ihrer neuen Aufgabe als Fraktionsführer der ÖVP im Ibiza-Untersuchungsausschuss gekommen?
Hanger: Wir haben einen Strategiewechsel gemacht. Wir hatten den U-Ausschuss immer sehr defensiv angelegt. Es war dann aber so, dass über Wochen skandalisiert und unterstellt worden ist – und dann haben wir gesagt, wir machen eine andere Strategie. Wir lassen uns diese Skandalisierung und Unterstellungen nicht mehr gefallen. Und dann wurde ich gefragt, ob ich diese Rolle übernehmen will und ich habe zugesagt.
Wie mühsam sind diese Skandalisierungen und Unterstellungen – wie Sie sie nennen – seitens der Opposition?
Hanger: Sehr mühsam. Es wird nicht mit Tatsachen gearbeitet, sondern mit Behauptungen. Und zwischen Behauptungen und Tatsachen ist ein großer Unterschied. Wenn nun permanent falsche Behauptungen und Unterstellungen gemacht werden, dann ist das natürlich etwas, das mich persönlich sehr stört und dem trete ich auch ganz klar und entschieden entgegen.
Wie sieht es hinter den verschlossenen Türen aus, sobald die Kameras abgedreht sind und die Öffentlichkeit keinen Zutritt zu den Räumlichkeiten hat?
Hanger: Grundsätzlich begegnet man sich freundschaftlich, weil man sich auch kennt und jeder weiß vom anderen, dass man eine Rolle hat und eine Position vertritt.
Finanzminister Gernot Blümel wurde vor rund einem Jahr zur ersten Ladung gebeten. Damals konnte er sich 86 Mal nicht an bestimmte Vorgänge erinnern. Vor knapp drei Monaten entschlug sich der Minister mehrfach und bei seiner dritten Ladung antwortete er wenig. Wie kann das sein, dass sich ein Minister bei seinen Ladungen nicht erinnern kann und sich mehrmals entschlägt?
Hanger: Interessanterweise hat sich noch niemand die Fragen angeschaut, die der Finanzminister bekommen hat. Es sind Fragen wie zum Beispiel: „Was war am 27. April 2017? Da waren Sie doch bei einer Besprechung?“ Ganz ehrlich, wenn Sie mich fragen, was ich vor drei Jahren an einem bestimmten Tag gemacht habe, kann ich es Ihnen auch nicht mehr sagen. Was ich damit sagen will, die Fragen sind unglaublich spezifiziert und dann sagt man, man könne sich nicht mehr erinnern und dann kommt gleich die nächste Frage: „Wissen Sie, was am 28. April war“. Das heißt, man hat das auch provoziert.
Wer hat provoziert?
Hanger: Der Fragesteller hat die Antwort provoziert. Man muss dazusagen, wenn eine Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss etwas Falsches sagt, dann kann das am nächsten Tag eine Strafanzeige nach sich ziehen.
Soll der Ausschuss öffentlich geführt werden?
Hanger: Wir waren bei dieser Frage eine Zeit lang sehr skeptisch, weil wir die Sorge hatten, dass daraus noch mehr politische Inszenierung wird. Mittlerweile sind wir aber im Rahmen einer Reform der Geschäftsordnung auch für eine öffentliche TV-Übertragung.
Wenn die Grünen für eine Verlängerung des U-Ausschusses gestimmt hätten, würde dann der Haussegen in der Koalition schlief hängen?
Hanger: Der Untersuchungsausschuss dauert mittlerweile über 16 Monate. Es war paktiert, dass nicht verlängert wird. Insofern war es nie ein Thema. Es war klar, dass es hier eine gemeinsame Vorgehensweise geben wird. Mit dem Argument, dass jederzeit ein neuer Ausschuss eingesetzt werden kann.
Derzeit sind Sie sehr stark in der medialen Öffentlichkeit vertreten. Wechseln Sie nach dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zurück in die hinteren Reihen oder bleiben Sie in den vorderen vertreten?
Hanger: Ich bin sehr gelassen, man wird sehen, was auf mich zukommt. Ich bin fest davon überzeugt, dass es wieder einen Untersuchungsausschuss geben wird. Wenn der Wunsch da ist, dass ich die Fraktionsführung wieder übernehmen soll, dann mache ich es sehr gerne. Ich bin überzeugt, dass es mir künftig nicht langweilig wird.
„Wenn der Wunsch da ist, die Fraktionsführung wieder zu übernehmen, dann mache ich es sehr gerne.“
NAbg. Andreas Hager (ÖVP)
Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade im Parlament oder im Ibiza-Untersuchungsausschuss sind?
Hanger: Politiker*in ist man sieben Tage die Woche, 24 Stunden – und habe damit überhaupt kein Problem. Als Ausgleich neben der Politik bemühe ich mich sehr, laufen zu gehen. Ich merke, dass ich das brauche und dass es mir guttut.