David Foster Wallace – und die lustigste Tragödie

Zu seinem sechzigsten Geburtstag darf ein Schriftsteller vorgestellt werden, der der König der Tragikomödie, der vielleicht beste Autor unserer Zeit und doch viel zu wenigen ein Begriff ist. Leider ist David Foster Wallace bereits verstorben, doch sein schon in den 90ern und 2000ern futuristisches Werk ist heute aktueller denn je.

Wenn man zum ersten Mal einen Blick in die Werke des US-amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace wirft, lässt es einen lächeln. Durch Handlungen, die wahrscheinlich nicht einmal nach mehrmaligem Lesen Sinn ergeben, ziehen sich schräge Charaktere, die von sexsüchtigen Nymphensittichen zu sich von Schweiß ernährenden Yogis reichen. Fußnoten, die ohne Gründe Synonyme für Gras oder fiktive Filmografien seitenlang aufzählen, sind keine Seltenheit. Er selbst stellte in einem Interview einen Vergleich zu Kafka auf, einem humoristisch anscheinend fehlgedeuteten Autor, der nachts so laut über seine eigenen Geschichten gelacht haben soll, dass die Nachbarn die Polizei verständigten.

Doch dieser Humor hat seinen Preis, denn Wallace nutzt ihn, um Themen aufzugreifen, die weniger lustig sind. Dies betrifft vor allem die Thematik der Sucht, die sich in jeder Form durch sein Leben und Werk flechtet. Damit sind nicht nur Alkohol und Drogen gemeint, die ihn als Mitglied der Bostoner Anonymen Alkoholiker neben seinem exzessivem Marihuanakonsum lebenslang begleiteten, sondern auch die Sucht nach Unterhaltung.

All dies fließt in seinem 1996 veröffentlichten Roman „Infinite Jest“ (deutsch: Unendlicher Spaß) zusammen. In dieser Geschichte, will man sie denn so nennen, begeben sich unzählig viele Charaktere auf die Suche nach der Originalkassette eines Films, der unterhaltsam ist, dass man ihn immer wieder ansehen möchte, abhängig wird und letztlich daran verstirbt, da man zu nichts anderem mehr kommt. Man darf den Begriff der Geschichte deswegen infrage stellen, weil sich diese vermeintliche Handlung verliert und eine Ansammlung von Hunderten wunderschön gezeichneten Charakteren bleibt.

Nach diesem Roman schritt Wallace langsam in eine andere Richtung. Es folgte ein Sachbuch über den Mathematiker Gregor Cantor (Everything and More, 2003), eine Reportage über den Tennisweltmeister Roger Federer (Both Flash and Not, 2012 posthum) und einige Essays (Consider the Lobster and Other Essays, 2005). Als David Foster Wallace 2008 Suizid beging, fand man neben ihm das Manuskript zu seinem letzten Roman (The Pale King, 2011). Der Schriftsteller hatte seit Jahrzehnten an Depressionen gelitten und letztlich nach einer alternativen medizinischen Herangehensweise die Kontrolle verloren.

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Doch wenn ich an David Foster Wallace denke, kommt mir nicht seine graue Depression und Alkoholsucht in den Sinn. Es ist auch nicht seine Fähigkeit, die Tragik des Lebens mit Humor zu nehmen. Oder seine nachdenklichen Herangehensweisen zum Zubereiten von Hummern. Wenn ich an Wallace denke, fällt mir zuerst ein Interview ein, das er 2003 dem deutschen Fernsehsender ZDF gab. Darin ist weder ein philosophisches Genie noch eine Schriftstellergottheit zu sehen, sondern vielmehr ein freundlicher, fast schon schüchterner junger Mann, der dem Interviewsystem trotzt und viel lieber eine Unterhaltung von Mensch zu Mensch führt.

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