Pünktlich mit dem Weltfrauentag am 8. März wird wieder über die Sinnhaftigkeit von Frauenquoten debattiert. Ein Blick in Österreichs Unternehmen und politische Einrichtungen zeigt: Männer dominieren, speziell in Führungspositionen. Lediglich in jenen Bereichen von Politik und Privatwirtschaft, in denen eine Frauenquote belohnt wird oder gar Pflicht ist, sind Frauen zumindest annähernd gleichgestellt.
Es ist Montag, 10 Uhr morgens. Wir befinden uns in einer Aufsichtsratssitzung in einem großen, österreichischen Unternehmen. Die Tür zum Besprechungsraum öffnet sich, jemand tritt ein. Einer der bereits anwesenden Männer lehnt sich zu seinem Sitznachbarn und flüstert leise, was wohl alle denken: „Was will die denn hier?“
„Die“, das ist die Quotenfrau. Eigentlich ist sie recht bemitleidenswert, schließlich ist sie völlig unqualifiziert für die Aufgabe, die vor ihr liegt, und wurde nur befördert, damit die Quote stimmt. Alle Anwesenden sind sich sicher – lang wird sie’s nicht machen. Nur Frau-sein reicht halt nicht für den Job. Und wer weiß wie viele qualifizierte Männer abgelehnt wurden! Nur wegen der „Diversität“ …
Während unsere Quotenfrau ihren Platz am Tisch einnimmt, erklärt einer der Männer: „Weißt, ich hab ja nix gegen Frauen, aber wegen der Performance wärs.“ Na, dann wäre das ja geklärt. Schließlich wissen ja alle, dass Frauen schlecht für die Unternehmensperformance sind. (Sind sie nicht, aber dazu später mehr.)
Zunächst einmal ein Applaus für unsere Quotenfrau. Sie sitzt jetzt im Aufsichtsrat eines jener börsennotierten, österreichischen Unternehmen, für die seit Jänner 2018 eine Quote von mindestens 30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat vorgeschrieben ist. Kann der Posten nicht mit einer ausreichend qualifizierten Frau besetzt werden, bleibt er frei. Bevor erboste Männer jetzt über Diskriminierung schimpfen: Die Regelung gilt auch, sollten Männer jemals das unterrepräsentierte Geschlecht darstellen. Die Quote zeigt Wirkung, seit 2018 stieg der Frauenanteil in Österreichs Aufsichtsräten um fast 10 Prozent. Doch hätte unsere Quotenfrau vielleicht auch ganz ohne Quote einen Platz am Tisch bekommen?
Ein Blick in den „Frauen.Management.Report.2021“ der Arbeiterkammer sagt: „eher nicht“. Wer nämlich in die nicht-quotenpflichtige Führungsetage der oben genannten Unternehmen schaut, stellt schnell fest, dass der Frauenanteil hier nur bei 7,7 Prozent liegt. Es ist also keine Überraschung, dass Österreich im Ranking für den Global Gender Gap Report 2020 des World Economic Forum, der die wirtschaftliche Partizipation von Frauen in 157 Ländern misst, nur an 86. Stelle liegt.
Zahl der Politikerinnen steigt deutlich
Nachdem sich die Privatwirtschaft damit sogar weniger divers präsentiert als unsere heimischen Golfclubs, nun ein Blick zur Politik. Erfreulich ist, dass Anteil an Politikerinnen im österreichischen National- und Bundesrat stetig steigt, und heute bei respektive 39 Prozent beziehungsweise 38 Prozent liegt. Doch auch das ging nicht ganz ohne Quote. Zur Steigerung der Geschlechterdiversität wurde 2019 das Klubfinanzierungsgesetz dahingehend abgeändert, dass ein Parlamentsklub, der im National- oder Bundesrat mehr als 40 Prozent Frauen umfasst, eine um 3 Prozent erhöhte Klubförderung erhält. Im Nationalrat erfüllen das aktuell Grüne (58%), SPÖ (50%) und NEOS (40%), im Bundesrat SPÖ (53%), ÖVP (48%) und Grüne (40%). Weit abgeschlagen liegt die FPÖ mit jeweils 18 Prozent, die sich vehement gegen den Quotenzwang wehrt.
Spricht man (meist männliche) Personalrecruiter auf das Thema Geschlechterdiversität an, bekommt man meist eine Variation der folgenden Antwort: „Wir würden ja mehr Frauen einstellen, aber es gibt halt einfach keine, die was können!“ Aber sind qualifizierte Frauen wirklich solch seltene Einhörner?
Fakt ist, dass mehr als die Hälfte all jener, die hierzulande ein Studium abschließen, weiblich sind. Beispielsweise in der Medizin ist die Verteilung ähnlich, trotzdem gibt es lediglich 12 Prozent weibliche Primarärzt*innen in Österreichs Spitälern. Sind die Absolventinnen vielleicht im akademischen Bereich geblieben? Nein. Auch unter den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen oder Professor*innen sind Frauen deutlich seltener vertreten als Männer. Nicht-ärztliche Gesundheitsberufe wie Krankenpflege oder Ergotherapie sind dagegen mehrheitlich weiblich besetzt. Als Gründe werden die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zu wenig Förderung und die Vergabe von interessanten Jobs vorranging an Männer zitiert.
Große Geschlechterkluft im Journalismus
Die Medizin ist damit kein Einzelfall. Auch in den Medien ist das Geschlechterverhältnis mehr als unausgeglichen, wie der Journalismus-Report des Medienhaus Wien heuer zeigte. Frauen sind zwar mit 47 Prozent fast gleichberechtigt in Redaktionen vertreten, doch Führungspositionen sind weiterhin zu zwei Dritteln mit Männern besetzt. Noch stärker ist die Genderkluft in historisch männlichen Ressorts wie dem Sport, oder im Lokal- und Regionaljournalismus. Mangelnde Qualifikation kann kaum der Grund sein, sind doch die Absolvent*innen in den Studienrichtungen Publizistik (80%) beziehungsweise Journalismus (69%) mehrheitlich weiblich. Um die Medienwelt geschlechtergerechter zu machen, appellieren mit der Aktion #ReframingQuotenfrau nun rund 100 Journalist*innen und Medienschaffende in einem offenen Brief an die Parlamentsparteien, eine verpflichtende Frauenquote von 50 Prozent in den Medien umzusetzen. Wenig überraschend waren die Reaktionen: SPÖ, Neos und Grüne zeigten sich gesprächsbereit, die FPÖ sprach sich abermals gegen Quotenzwänge aus.
Wenn Frauen also nicht an mangelnder Qualifikation scheitern, woran dann? Wer hier entrüstet denkt: „Sie wollen halt einfach nicht!“, braucht weit mehr Nachhilfe in Sachen Feminismus als man hier geben kann. Frauen wollen aufsteigen, werden aber von strukturellen Ungerechtigkeiten zurückgehalten. Eine der größten Hürden ist das Ähnlichkeitsprinzip. Menschen in Führungspositionen suchen – bewusst und unbewusst – nach Mitarbeiter*innen oder Nachfolger*innen, die ihnen ähneln. Angesichts der momentanen Geschlechterverteilung in Österreichs Vorstandsetagen ist es also kaum überraschend, dass Männer deutlich öfter zum Zug kommen. Dazu kommt, dass bei der Besetzung hoher Positionen auch Kontakte eine große Rolle spielen, wobei Frauen einen entschiedenen Nachteil haben: Während Männer flexibler sind, wenn es um Networking-Events, Konferenzen in fernen Ländern oder ein Bier nach der Arbeit geht, sind Frauen in den meisten Fällen auf externe Kinderbetreuung angewiesen, um teilnehmen zu können. Auch die in Österreich bisher stark gelebte Präsenzkultur trägt nicht zu höheren Karrierechancen für Frauen bei, die von flexiblen Arbeitszeiten und -orten stark profitieren.
Geschlechterdiversität erweist sich als profitabel
Österreichs Unternehmen tun sich übrigens keinen Gefallen damit, ihre Führungsetagen zu Männerclubs zu machen. Eine Analyse von McKinsey stellte 2019 fest, dass Unternehmen mit einer höheren Geschlechterdiversität in der Vorstandsetage bis zu 25 Prozent mehr Umsatz machen als jene, die ausschließlich von Männern geleitet werden. Am höchsten war der Umsatzunterschied bei Unternehmen mit einem Frauenanteil von 30 Prozent oder mehr. Ideal wäre es, diesen Prozentsatz auch ohne Frauenquote zu erreichen, doch in einer Welt die strukturell gegen Frauen diskriminiert, sind Quotenregelungen momentan das beste Mittel, um die alten Kreisläufe zu durchbrechen
Zuletzt nochmal zurück zu unserer Quotenfrau, die gerade an der Aufsichtsratssitzung teilnimmt. Trotz der Kommentare der Männer schämt sie sich nicht dafür, „nur“ eine Quotenfrau zu sein. Sie weiß, dass sie qualifiziert ist. Sie weiß auch, dass ihre Präsenz hilft, dass Ähnlichkeitsprinzip zu durchbrechen und mehr Frauen den Weg in die Führungsetage zu ebnen. Sie sorgt dafür, dass dort, wo Entscheidungen mit Auswirkungen für die Gesamtbevölkerung getroffen werden, nicht nur ein Teil der Bevölkerung repräsentiert ist. Entgegen männlicher Ängste wird eine Frauenquote nämlich nicht zu einer Flut an unqualifizierten Frauen in Führungspositionen führen – im Gegenteil: Sie durchbricht lediglich die inoffizielle Männerquote und stellt sicher, dass Frauen überhaupt eine faire Chance bekommen.