Werner Kogler im Interview: Zukunft gestalten – Klimaschutz, Bildung und Chancengleichheit für die nächste Generation

Vizekanzler, Grünen-Spitzenkandidat und Bundessprecher der Grünen Werner Kogler spricht im exklusiven Interview mit frisch-Chefredakteur Stv. Markus Gratzer über die Zukunft des Klimaschutzes, Bildung und faire Arbeitsbedingungen für junge Menschen. Er erklärt, wie nachhaltige Wirtschaft und Umweltschutz vereint werden können, welche Maßnahmen für leistbares Wohnen geplant sind und wie Österreichs Jugend optimal auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden soll.

Herr Vizekanzler, wie planen Sie und die Grünen, den Umweltschutz mit wirtschaftlichen Interessen zu vereinen, damit auch junge Menschen Zukunftsperspektiven haben?

Ich beschäftig mich schon mein Leben lang damit, wie man gutes Wirtschaften und wirksamen Klimaschutz unter einen Hut bringt. Zum Wohl der Natur, der Wirtschaft, der Menschen und künftiger Generationen. Genau das ist bei uns Grünen Programm: Wir stellen die Industrie auf eine klimaneutrale Produktion um, damit Österreich international die Nase vorn hat, weil wir grünen Stahl erzeugen. Wir steigen auf saubere, sichere und dauerhaft leistbare Energie aus Sonne, Wind und Co. um. Wir fördern eine gesunde Landwirtschaft und setzen auf eine Kreislaufwirtschaft, die weniger Müll produziert und sorgsam mit unseren Lebensressourcen umgeht. So stärken wir unsere Wirtschaft und schaffen zukunftssichere Arbeitsplätze. Eines ist doch sonnenklar: Nur ein gesunder Planet sichert unseren Wohlstand und unsere Lebensgrundlagen. Umwelt- und Klimaschutz ist deshalb immer eine Investition in unsere Zukunft und die künftigen Generationen. Denn wir schützen uns damit vor den immer stärkeren Auswirkungen der Klimakrise, wie Hitzewellen oder Überschwemmungen. Wir stellen sicher, dass unsere Enkel und Urenkel auch in 100 Jahren noch sauberes Wasser trinken können und es genug Äcker gibt, auf denen ihre Nahrung wächst. Und am Ende schützen wir damit auch die Wirtschaft, denn Hochwasser und Dürren bedrohen alle Betriebe, von der Landwirtschaft über die Industrie bis zum Tourismus.

Welche konkreten Klimaschutzmaßnahmen plant die Partei, die speziell junge Menschen betreffen werden?

Klima schützen heißt immer: eine gute Zukunft sichern. Und das ist besonders für junge Menschen wichtig und für die kommenden Generationen, die noch gar nicht auf der Welt sind. In den vergangenen fünf Jahren haben wir Grüne die entscheidenden Weichen gestellt: Für den vollständigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas, die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft, eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs und den Ausbau von klimafreundlichen Öffis. Und das wirkt: Die klimaschädlichen CO2-Emissionen sinken erstmals wieder. Wir haben Österreich auf Kurs gebracht, die Klimaziele zu erreichen. Bei der Umstellung auf 100 % Strom aus sauberen Energiequellen wie Sonne, Wind und Wasser liegen wir sogar über dem Plan. Jetzt ist es wichtig, hier konsequent weiterzuarbeiten.

Mit Klimaschutz sorgen wir gleichzeitig für mehr soziale Gerechtigkeit. Auch hier denken wir Grüne ganz besonders an junge Menschen, zum Beispiel mit dem gratis KlimaTicket zum 18. Geburtstag. Darauf wollen wir weiter aufbauen, mit einem Infrastrukturausbau bei den Öffis. Damit alle bequem, günstig und klimaschonend mobil sein können.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass Bildung in Österreich zukunftsorientierter gestaltet wird?

Jedes Kind muss dieselben Bildungschancen bekommen – und zwar die besten. Es darf nicht sein, dass Bildung bei uns noch immer weitervererbt wird und viele Kinder dadurch nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Jedes Kind hat die gleichen Chancen verdient und, dass individuelle Talente berücksichtigt werden. Um die zu fördern, müssen wir ganz früh ansetzen. Wir sind daher für ein zweites Kindergartenjahr für alle Kinder, in dem auch ganz gezielt die Sprachentwicklung gefördert wird. Wir wollen kostenlose Ganztagsschulen in ganz Österreich ausbauen, wo es über den Tag verteilt Unterricht und auch Freizeit- und Förderangebote gibt. Das ist für benachteiligte Kinder besonders wichtig. Wir brauchen mehr Personal an den Schulen, vor allem dort, wo die Herausforderungen gerade besonders groß sind. Gerade in großen Städten brauchen wir soziale Durchmischung, damit alle Kinder voneinander lernen können und die oft thematisierten „Parallelgesellschaften“ gar nicht erst entstehen können. Und wir wollen eine längere gemeinsame Schule für alle Kinder, die schulintern auf individuelle Bedürfnisse eingeht. Jugendliche sollen sich erst mit 14 Jahren für Gymnasium, Lehre oder Berufsschule entscheiden. Niemand kann und soll mehr mit 10 Jahren gezwungen sein, über den gesamten weiteren Bildungs- und oft auch Berufsweg zu entscheiden.

Wie planen Sie, den Übergang von Schule und Ausbildung in den Beruf zu erleichtern?

Wir wollen junge Menschen schon frühzeitig in der Schule unterstützen, sich über ihren weiteren Berufs- und Bildungsweg klar zu werden. In den neuen Lehrplänen haben wir deshalb fächerübergreifend das Thema „Bildungs-, Berufs- und Lebensorientierung“ verankert. In der Mittelschule gibt es jetzt auch ein eigenes Fach „Bildungs- und Berufsorientierung“, das aus unserer Sicht auch in der AHS-Unterstufe überall zum Standard werden soll. Außerdem soll jeder junge Mensch am Ende der Schulzeit ein individuelles Stärkenportfolio bekommen, das Projekte, außerschulische Leistungen und Talente-Checks dokumentiert. Das kann eine große Hilfe bei der Studien- und Berufswahl sein.

Wie stehen Sie und die Grünen zur Forderung nach einer Senkung der Steuerbelastung für junge Berufseinsteiger?

Wir wollen die Steuern auf Arbeit weiter senken und zur Finanzierung eine Millionärssteuer für Millionenerb:innen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wer ein Leben lang hart arbeitet, zahlt in all den Jahren hunderttausende Euro an Steuern. Wer aber viele Millionen auf einen Schlag erbt, zahlt keinen Cent davon an die Gemeinschaft. Von einer Millionärssteuer wären weniger als 1 Prozent der Bevölkerung betroffen. Gleichzeitig bleibt durch eine Senkung der Steuern auf Arbeit alle arbeitenden Menschen in Österreich mehr von ihrem Lohn im Börsl. Ganz besonders stärken wir damit junge Menschen, die beim Einstieg ins Berufsleben meist noch ein niedrigeres Gehalt haben.

Welche Pläne haben Sie, um jungen Menschen den Zugang zu leistbarem und nachhaltigem Wohnraum zu erleichtern?

Wohnen muss für alle Menschen in jedem Alter leistbar sein. Am besten und nachhaltigsten schaffen wir das, indem wir den gemeinnützigen Wohnbau stärken. Wir Grüne wollen aber auch die unverschämte Mietpreistreiberei im privaten Sektor stoppen und mit einem effektiven Mietwuchergesetz den Wohnungsmarkt insgesamt entspannen: Wer Wucher-Mieten verlangt, die um 25 Prozent über dem ortsüblichen Wert liegen, soll hohe Strafen zahlen müssen. Durch einen öffentlich verfügbaren Mietenspiegel soll das für jeden Menschen auf einen Blick klar ersichtlich sein. Viele Verbesserungen haben wir Grüne gegen großen Widerstand bereits erkämpft. Nicht zuletzt haben wir jungen Menschen den großen Schritt in die erste WG oder Wohnung erleichtert, indem wir die ungerechten Maklergebühren abgeschafft haben. Dadurch sparen Mieter:innen beim neuen Mietvertrag in der Regel zwei Monatsmieten an Provision.

Welche Maßnahmen sehen die Grünen vor, um den öffentlichen Verkehr für junge Menschen noch attraktiver zu machen?

Wir haben mit dem KlimaTicket erstmals eine echte Flatrate für alle Öffis in ganz Österreich geschaffen. Der Erfolg übertrifft alle Erwartungen, der öffentliche Verkehr ist so günstig und gefragt wie nie zuvor. Jetzt geht es darum, die Verbindungen noch weiter auszubauen: Wir wollen einen Infrastrukturausbau, mit mehr Angeboten für die letzte Meile, mit Schnellbussen auf Autobahnen – weiteren Vergünstigungen für Lehrlinge und Schüler:innen. Wir wollen junge Menschen bereits früh auf den Geschmack bringen, damit sie sich auch auf lange Sicht für die bequeme Fahrt mit den Öffis entscheiden – am Arbeitsweg, in der Freizeit und im Urlaub. Deshalb haben wir das gratis KlimaTicket für 18-Jährige und für alle jungen Menschen durchgesetzt, die z.B. ihren Zivildienst, Grundwehrdienst, ein freiwilliges soziales Jahr oder Umweltjahr leisten. Im nächsten Schritt kämpfen wir auch für ein noch günstigeres KlimaTicket für Schüler:innen und Lehrlinge unabhängig von ihrem Alter. Bei der Wahl entscheidet sich aber zunächst, ob das KlimaTicket in dieser Form weiter bestehen bleibt. Denn nicht alle Parteien setzen sich für eine Weiterführung ein. Für uns Grüne ist völlig klar: Diese Errungenschaft dürfen wir uns nicht einfach wegnehmen lassen.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass junge Menschen auch auf dem Land moderne Bildungseinrichtungen haben?

Jedes Kind hat das Recht auf die beste Bildung. Egal, ob es in der Stadt oder auf dem Land zuhause ist. Wir wollen die Kindergärten und ganztägigen Schulen in ganz Österreich ausbauen. Dort sollen die Kinder ein vielfältiges Angebot bekommen. Denn Lernen, Üben, Freizeit, Sport und Musik lassen sich wunderbar miteinander verbinden. Gerade bei der Zusammenarbeit mit Sport- und Kulturvereinen und anderen außerschulischen Einrichtungen in der Region ist hier noch viel zu holen.

Wir wollen es Schulen erleichtern, mit anderen Schulen zusammenzuarbeiten und gemeinsam inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Die Mittel für die Koordinierung solcher Cluster haben wir bereits ausgeweitet.

Bei der Sanierung von Schulen setzen wir bereits jetzt auf Nachhaltigkeit, zum Beispiel rüsten wir Bundesschulen mit Sonnenstrom-Anlagen nach. Bei Neubauten sind ist der höchste Gebäudestandard „Klima Aktiv GOLD“ zu erreichen, bei Sanierungen mindestens „SILBER“. Der Bund ist hier mit gutem Beispiel vorangegangen. Jetzt müssen die Gemeinden und Länder nachziehen, die für den Erhalt von Kindergärten, Volks- und Mittelschulen zuständig sind.  

Welche Maßnahmen planen Sie, um Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Sexualität oder Herkunft in Österreich weiter abzubauen?

Der Einsatz für die Gleichstellung aller Menschen ist fest in unserer Grünen DNA verankert. Wir setzen uns umfassend dafür in allen Lebensbereichen ein und treten gegen jegliche Form von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Religion und Sexualität auf. Denn jeder Mensch hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, frei von Gewalt, Rassismus und Diskriminierung.

Diskriminierung hat leider viele Gesichter: Die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen (Gender-Pay-Gap). Die Zurückweisung von Menschen bei der Wohnungssuche aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Das Vorenthalten von Dienstleistungen für Menschen aufgrund von Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung. Wir müssen daher an vielen Punkten ansetzen, um wirklich all diesen Formen von Ungerechtigkeiten entschlossen entgegenzutreten. Denn Diskriminierung ist immer noch tief in unserer Gesellschaft verankert und begegnet betroffenen Menschen Tag für Tag.

Für echte Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsmarkt wollen wir Grüne u.a. eine verpflichtende Lohntransparenz, erweiterte Frauenquoten und den flächendeckenden Ausbau qualitätsvoller Kinderbetreuung. Mit einem Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung, der auch ausreichend finanzierte Maßnahmen vorsieht, wollen wir der systemischen Diskriminierung aufgrund von Herkunft einen Riegel vorzuschieben. Nicht zuletzt setzen wir uns für einen vollumfassenden Diskriminierungsschutz (Levelling-Up) ein, damit Menschen aus der LGBTIQ+ Community sich gegen Diskriminierung in allen Lebensbereichen wehren können.

Wie möchten Sie die Jugendarbeitslosigkeit senken und gleichzeitig faire Arbeitsbedingungen schaffen?

Österreich hat zwar im europäischen Vergleich eine relativ niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Aber für uns Grüne steht fest: Mit 9,7 Prozent ist sie noch immer zu hoch. Wir kämpfen dafür, dass jeder junge Mensch die Perspektive auf eine gute Zukunft bekommt. Und das beginnt beim Zugang zu einer Ausbildung zu zukunftssicheren Jobs mit guten Arbeitsbedingungen und gutem Einkommen. Es muss auch einfacher werden, die Ausbildung oder den Beruf zu wechseln, ohne wieder „bei Null“ anfangen zu müssen.

Wir wollen es leichter machen, zwischen verschiedenen Berufsausbildungen zu wechseln, aber auch von einer abgeschlossenen Lehre in ein Studium an der Fachhochschule oder Universität einzusteigen. Denn wir können von jungen Menschen nicht erwarten, bereits sehr früh Entscheidungen zu treffen, die für ihr gesamtes weiteres Berufsleben „einzementiert“ sind. Wir müssen all jene, die ihre Ausbildung abgebrochen oder berufliche Hoffnungen verloren haben, regelmäßig mit konkreten Unterstützungen und Angeboten einladen, wieder in die Ausbildung und den Beruf zurückzukommen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das umso wichtiger.

Ausbildung und Beschäftigung müssen aber auch fairer werden: Gerechte Bezahlung für junge Menschen, Schluss mit schlecht oder gar nicht bezahlten Praktika. Firmen, die in junge Menschen investieren und auf die Bedürfnisse junger Menschen eingehen, werden in Zukunft einen wesentlichen Vorsprung am Arbeitsmarkt haben. Wir sind der Meinung, dass solche Angebote an junge Menschen auch finanziell gefördert werden sollten.

Letzte Frage: Was geben Sie einem jungen Menschen mit auf dem Weg?

Die Zeiten sind nicht einfach. Trotzdem es gibt viele Gründe, positiv in die Zukunft zu blicken: Lasst euch nicht entmutigen. Kämpfen wir gemeinsam für ein gutes Morgen. Wir Grüne haben gezeigt, wie viel wir mit Mut zur Veränderung und dem nötigen Willen erreichen können. Denken wir nur an das „Ja“ zu Europas wichtigstem Naturschutzgesetz, mit dem wir unserer Natur wieder mehr Platz geben und damit auch unsere eigene Zukunft schützen. Wir sollten also nie die Hände in den Schoß legen und verzweifeln. Und es ist nicht zuletzt der Verdienst der vielen jungen Menschen, die auf die Straße gehen und sich für das Klima stark machen, dass diese Stimme für ein gutes Morgen auch in der Politik nicht mehr zu überhören ist.

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