Über Krieg, Terror, Verzweiflung und türkise Menschenverachtung

In diesen Tagen und Wochen erreichen uns Bilder, die an Schrecklichkeit kaum zu überbieten sind. Menschmassen versuchen sich panisch an Flugzeuge zu klammern, um irgendwie Afghanistan verlassen zu können und der Folter im eigenen Land zu entkommen. Eine extrem heikle Thematik, wenn es um die Rolle der NATO in diesem Konflikt geht. Auch die von Frieden gesegnete Republik Österreich verkündet entschlossene Aktionen zu setzen. Jedoch führen diese Aussagen dazu, dass vernünftig denkende Menschen nicht mehr Stolz auf das eigene Land sein sollten, sondern sich dafür schämen ein Teil von Österreich und deren Entscheidungsträger*innen zu sein.

Wie nahm die Katastrophe ihren Lauf?

Kurz und knapp: Nach den Anschlägen des elften Septembers, die von der Terrororganisation Al Qaida ausgeführt worden ist, sahen sich die USA gezwungen, zu handeln. Der Krieg gegen den Terror wurde ausgerufen, mit dem offiziellen Ziel, die islamistische Regierung zu stürzen, das Land zu sichern und schlussendlich eine Demokratie aufzubauen. Es sollten Sicherheitskräfte ausgebildet werden, damit das Land nicht in einem Chaos versinkt, wenn die ausländischen Streitkräfte heimkehren. 2019 hat Donald Trump mit den Taliban verhandelt, mit dem Ergebnis, dass sich alle dort stationierten Heere, nicht nur die amerikanischen, zurückziehen. Der jetzige Präsident Joe Biden hat an dieser Herangehensweise nichts verändert und ließ ebenfalls vermehrt amerikanische Truppen abziehen. In der Realität hinterließ man einzig einen Scherbenhaufen. Die Taliban hatten sichtlich wenig Mühe ihren blutigen Triumphzug durchs Land zu ziehen, gewannen Tag für Tag immer mehr Land und haben nun auch die Hauptstadt Kabul in ihren Besitz gebracht. Abertausende Menschen wollen nun das Land verlassen, um vor Unterdrückung, Krieg, Folter und Elend zu flüchten, welches ihnen nun droht. Die neuen Machthaber wollen nämlich die Scharia einführen, eine radikal islamistische Rechtsform mit barbarischen Ausführungen. Diese Gesetzgebung ist am ehesten noch mit Schauergeschichten des Mittelalters zu vergleichen. Verstümmelungen gelten als gängige und verbreitete Strafen bei schon milden Vergehen und das Wort „Frauenrechte“ ist im Wortschatz der politischen Führer nicht zu finden. Wortwörtlich, die Hölle auf Erden.

Menschenrechte? Nicht mit uns!

Am Flughafen in Kabul herrscht seit Wochen pures Chaos. Tausende panische Menschen versuchen so irgendeinen Ausweg zu finden, sich in Sicherhit zu bringen und riskieren dabei ihr Leben. Selten hat man in den letzten Jahrzehnten ein solches Grauen gesehen. Folter ist allgegenwärtig, Hinrichtungen finden tagtäglich auf offener Straße statt und Frauen werden von den Taliban nur mehr wie Objekte behandelt. Doch für Innenminister Karl Nehammer ist sonnenklar:

„Es gibt keinen Grund, warum ein Afghane jetzt nach Österreich kommen sollte“

Karl Nehammer (ÖVP) – Bundesminister für Inneres

Zum Glück wurden nach den schweren Folgen aus zwei Weltkriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sämtliche Konventionen und internationale Völkerrechte beschlossen, um sicherzustellen, dass Menschenrechte stets eingehalten werden. Die Genfer Flüchtlingskonvention ist eine Charta der UN und stellt die Grundlage des verbindlichen internationalen Flüchtlingsrechts da. Sie besagt, dass Personen, die wegen ihrer Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit einer sozialen Gruppe verfolgt werden, als Flüchtlinge anerkannt werden müssen. Zusätzlich ist darin verankert, dass ein Flüchtling bei einer illegalen Einreise strafffrei bleibt und vor einer Ausweisung, einer Abschiebung in sein Herkunftsland, geschützt ist. Durch die menschenrechtsverletzende Situation in Afghanistan haben die flüchtenden Menschen also das Recht vor dieser Verfolgung in anderen Staaten geschützt zu werden. Dieses Abkommen ist für die 146 Beitrittsstaaten einzuhalten, wodurch die Rechte der Flüchtlinge verpflichtend einzuhalten sind. Man möge es kaum glauben, aber auch Österreich und Afghanistan sind Unterzeichner dieser Konvention. Jedoch hält die österreichische Bundesregierung nicht viel davon und sucht bereits nach erbarmungslosen und rechtswidrigen Lösungen.

„Wenn Abschiebungen aufgrund der Grenzen, die uns die europäische Menschenrechtskonvention setzt, nicht mehr möglich sind, müssen Alternativen angedacht werden“

Karl Nehammer (ÖVP) – Bundesminister für Innneres

Es kommt einem wie ein schlechter Traum vor, wenn man bedenkt, dass die höchsten Entscheidungsträger der Republik die weltweit geltenden Menschenrechte mit Füßen treten, verachten und versuchen, unmenschliche wie würdelose Ideen als revolutionär und salonfähig darstellen zu lassen.

Alte ÖVP-Werte versus Populismus

So erschreckend diese Stellungnahmen auch sind, für politikinteressierte Menschen in diesem Land ist diese Entwicklung leider keine Überraschung. Denn der Begriff „illegale Migration“ ist in den Medien mittlerweile fast öfters zu hören als Corona. Doch durch die unzähligen Erwähnungen dieses Wortlauts stellen sich mittlerweile neue Definitionsfragen in den Raum, welche durch türkise Message Control verursacht werden. Wenn es nach Kurz und seinen Gefolgsleuten geht, bedeutet der angesprochene Terminus nicht mehr eine Migration, die illegal von statten geht. Viel mehr entsteht das Gefühl, dass im ÖVP-Wörterbuch der generelle Begriff der Migration als illegal diffamiert wird. Doch wieso werden die christlichen Werte der Nächstenliebe, für welche die ÖVP Jahrzehntelang stand, über Bord geworfen? Die Antwort findet sich relativ rasch: Mehr politische Macht und Einfluss durch Populismus. Man hat es über Jahrhunderte der Weltgeschichte in allen Ecken der Erde und jeder politischen Ausrichtung gesehen. Es müssen Feindbilder gefunden werden, die man für alles negative verantwortlich machen kann. In den letzten Jahren wurde die muslimische Gemeinde Stück für Stück in ein immer schlechteres Licht gestellt. Die von Kurz so oft beschrieben „wiederkehrenden Einzelfälle“ der FPÖ und politisch rechts orientierte Straftaten werden auch bis heute als Einzelfälle betrachtet, ohne sich über deren gefährlich anwachsende Radikalisierung Sorgen zu machen. Jedoch genügt ein Anschlag in der Wiener Innenstadt, verübt durch einen islamistischen Terroristen, um die gesamte muslimische Gemeinschaft unter Generalverdacht zu stellen.

Kurz(’s) nachdenken wäre angemessen

So schlimm und grauenhaft diese Tat auch war: Durch das abartige verhalten einer Person kann man nicht auf 700.000 weitere Personen in Österreich schließen. Dabei wird nicht zwischen friedliebenden Muslimen und dem im Vergleich dazu minimalen Bruchteil an radikalen Gläubigen, die den Jihad führen möchten, unterschieden. Bundeskanzler Kurz meinte noch vor wenigen Tagen: „Wir dürfen die Fehler von 2015 nicht wiederholen!“ Manchmal kann man sich allerdings fragen: Welche Fehler denn? Wir haben verzweifelten Menschen, die eine schreckliche, tausende Kilometer lange Flucht hinter sich haben solidarisch den Arm gereicht und ihnen geholfen. Doch „Bundes-Messias“ Kurz lenkt von den Tragödien der Menschen ab und möchte dem Geschäftsmodell der Schlepper den Kampf ansagen. Unbeachtet davon, dass die lebensgefährlichen Wege der Flüchtlinge nicht freiwilliger Urlaub sind, sondern ihnen nichts anderes übrig bleibt, als diese Gefahr auf sich zu nehmen: Der Kanzler möchte laut eigenen Aussagen nicht erneut 44.000 afghanische Staatsbürger*innen, wie 2015, ins Land lassen. Dies solle angeblich die „kranke Ideologie“ befeuern und Österreich radikalisieren, obwohl diese Menschen genau die Leute sind, die vor dieser Ideologie flüchten. Am Rande noch bemerkt: Diese angesprochene Anzahl würde 0,49% aller Österreicher ausmachen. Dass diese Menge an verzweifelten Flüchtlingen im Nu unser Land zu einem islamistisch geführten Staat macht, möge man doch sehr bezweifeln.

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