Ob das was wird? Findet Österreich Stabilität in den ständig scheiternden Koalitionsverhandlungen?

Die Nationalratswahlen haben am 29. September 2024 stattgefunden, September 2024. Jetzt haben wir Mitte Februar 2025. Zwei Koalitionsverhandlungen sind inzwischen abgebrochen, Umstände, die eigentlich totales Chaos auslösen würden und doch ist es überraschend ruhig.

September 2024

Dieser Artikel hätte schon längst geschrieben werden sollen, geplant war Dezember 2024, um einen potentiellen Ausblick auf die neue Regierung zu liefern. Das Wahlergebnis vom September 2024 war zunächst ein Schock, aber nicht unerwartet. Die bisherige Regierungspartei ÖVP hat das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren und erzielte 26,27% und damit ein Minus von ganzen 11,19%, die zweite Regierungspartei Die Grünen haben auch deutlich verloren und sind mit einem Minus von 5,66% auf 8,24% gekommen. Die SPÖ hat minimalst verloren und kam auf 21,14%, von einem Sieg der SPÖ, die eigentlich als Oppositionspartei gut hätte abschneiden können, kann aber keineswegs die Rede sein, auch sie zählt zu den Verlierern der Wahl 2024. Die NEOS konnten etwas dazugewinnen und kamen auf 9,14%. Der große Triumph gehörte an diesem Septemberwahltag aber ganz alleine der FPÖ, mit einem Gewinn von 12,68% kam sie auf 28,85%.

War das Wahlergebnis höchst umstritten, so war der darauffolgende Regierungsauftrag nicht minder kontrovers. Nicht die stimmenstärkste Partei, sondern die auf Platz 2 gelandete ÖVP erhielt von Bundespräsident Alexander van der Bellen den Befehl zur Regierung. Der Präsident wollte mit diesem Schritt Stabilität für Österreich liefern. Kurzzeitig sah es auch nach Stabilität aus, zudem war in das Koalitionsteam ÖVP, SPÖ und NEOS mit den Pinken etwas frischer Wind in die, sonst schon oft dagewesenen rot/schwarzen (türkisen), Verhandlungen gebracht worden. Dann aber wurden aus Tagen der Verhandlung, Wochen, dann Monate und am 3. Jänner 2025 stiegen die NEOS aus den Verhandlungen aus, ÖVP und SPÖ verhandelten zwar noch etwas weiter, aber warfen dann auch das Handtuch. Kanzler und ÖVP-Parteichef Nehammer trat zurück und Alexander Schallenberg wurde zum zweiten Mal Übergangskanzler.

Die Idee van der Bellens, so eine stabile Regierung zu schaffen, war gescheitert. Die eine der drei Parteien machte die anderen Beiden für das Ende der Verhandlungen verantwortlich und die Beiden anderen die Eine. Ein trauriger politischer Vorgang, der nur den festgefahrenen Eigensinn der Parteien zeigt, die scheinbar nur das Beste für sich herausholen möchten und dabei ihre große Aufgabe vergessen, die sie eigentlich bekommen haben, sowohl vom Bundespräsidenten als auch von der mächtigsten Entität einer Demokratie: Dem Volk.

Auch wenn die FPÖ stimmenstärkste ist, vereinen ÖVP, SPÖ und NEOS die Mehrheit in ihrer Koalition. Das ist Demokratie. Dass diese drei Parteien, und das wurde in zahlreichen schnell einberufenen kämpferischen Pressekonferenzen zur Schau gestellt, wenig am Allgemeinwohl arbeiten, soll – in dieser erneuten Wiederholung – zeigen wie wenig tatsächliche Werte zählen und wie viel das eigene Ego wiegt.

Wie Fahnen im Wind

Diese kläglich rückgratlose Einstellung zeigte sich in den folgenden Verhandlungen deutlich und ist bis heute weiterhin sichtbar. Der Wahlkampf für September 2024 war gezeichnet von einigen wichtigen Themen, eines aber, das über Parteigrenzen hinweg propagiert wurde, war das erklärte Ziel von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS, eine Regierung der FPÖ zu verhindern und mit dieser nie in Koalition zu treten. Als Anfang Jänner Herbert Kickl endlich seinen heißersehnten Regierungsauftrag bekommen hat, hat der Wind der politischen Landschaft Österreichs schon gedreht, bisherige Versprechen und Wahlslogans waren wie der Schnee von gestern nur noch ein kleiner matschiger grauer Haufen in dem Niemandsland zwischen Gehsteigkante und Fahrbahn. Die ÖVP, unter neuer Führung, bot sich nun der FPÖ als Partner an.

Wer nun glaubt, aus dieser Koalitionsidee wird etwas, oder wer die Nachrichten der letzten Tage gelesen hat, weiß, dass auch hieraus nichts geworden ist. Am 12. Februar 2025 wurde das Ende der Verhandlungen FPÖ-ÖVP bekanntgegeben. Auch hier stellt sich wieder die Frage: Warum? Scheinbar lag es an der Verteilung der Ministerien, bei denen es zu keiner Einigung kam. Doch auch hier scheinen Parteiinteressen und Ego an der Macht zu sein und das Wesen der Demokratie wurde wieder vor der Tür abgestellt, wie ein nasser Regenschirm.

Die großen und bedeutend wichtigen Maximen der Demokratie sind Dialog und Kompromiss, dass nun die ÖVP schon zum zweiten Mal Teil einer gescheiterten Koalitionsrunde ist, stößt sauer auf. Geht es hier tatsächlich um Werte und Grundsätze, die bei den Verhandlungen nicht übereinstimmen oder um die eigene Macht? Vor kurzem war die ÖVP noch Vorkämpferin an der anti-FPÖ-Front, machte sich aber dann doch zum potentiellen Juniorpartner.

Ein Blick nach Deutschland

In unserem nördlichen Nachbarland Deutschland stehen die Bundestagswahlen kurz bevor und auch hier gibt es ein Thema, das sich in jedem Wahlprogramm (außer dem der AfD) befindet: Keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auch wie in Österreich ist diese rechts-außen Partei in einem nie dagewesen Höhenflug und steht kurz davor Rekorde bei der Wahl aufzustellen. Ob und wie sich die Vorgänge rund um Wahlerfolg und Koalitionschaos in Deutschland an dem „Vorbild“ Österreichs „orientieren“ wird sich zeigen. Die Lage ist auf jeden Fall vergleichbar: Die regierende Führung steht in der Kritik und die Opposition ist bis auf eine Partei eher schwach aufgestellt. Ob es in der deutschen Politik auch zu einer Drehung des politischen Windes kommt, wird sich zeigen, es ist aber stärkstens zu hoffen, dass die politischen Wetterverhältnisse stabil bleiben, nicht so wie hierzulande.

Nächster Anlauf

Ist in Österreich nun die zweite Koalitionsidee zerbrochen – wir erinnern uns erneut an den ursprünglichen Wahltermin im September 2024 – kann die Hypokrisie der österreichischen Parteien nur hervorgehoben werden. Die ÖVP war Teil dieser zwei gescheiterten Koalitionsverhandlungen, doch die anderen ehemaligen Verhandlungspartner der Volkspartei stehen ihr in Scheinheiligkeit in diesen Tagen um nichts nach. Hat man im Jänner noch in lautesten Tönen über einander geschimpft, die Unfähigkeit des „Gegners“ und die eigene Größe mit Leuchtfarben unterstrichen, wird jetzt auf einmal wieder von Verhandlungen gesprochen. ÖVP und SPÖ gaben bekannt in Vorverhandlungen für eine Koalition zu stehen, die alsbald finalisiert werden sollen. Zuletzt haben auch die NEOS wieder einen Platz am Verhandlungstisch eingenommen.

Es ist erschreckend zu sehen, wie schnell die Prinzipien und Aussagen der Parteien in den Wind geworfen werden. Jetzt, wo ein Erfolg wieder in scheinbar greifbarer Nähe ist, geben sich die zuvor unerfolgreichen Verhandler als Retter der Stabilität. Wenn es tatsächlich zu einer Regierung zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS kommt, mag dies dem Land zwar wieder Stabilität geben, ihre Integrität haben diese Parteien aber schon lange verloren. Wenn die Verhandlungen erfolgreich enden, können wir uns zwar über die Stabilität freuen, müssen aber fragen: Warum erst jetzt? Warum nicht kurz nach der Wahl im September? Warum diese Prinzipienwechsel?

Wir können (nur) hoffen

Die Lage der österreichischen Politik ist zurzeit alles andere als positiv. Die Regierungsfindung scheint bisher nicht möglich, die Establishment-Parteien sind in der Krise und die rechts(außen) stehende FPÖ kann trotz großem Gerede auch keine Ergebnisse liefern. Dass sich wenige über diesen beklagenswerten Zustand der derzeitigen Politik wirklich aufregen und echauffieren ist fragwürdig.

Doch was können wir tun, wenn die Aussagen der Parteien ihre Richtung wechseln, wie Fahnen sich im Wind bewegen und der Stabilität des Landes und der Demokratie die eigenen Interessen und Machtideen vorgezogen werden?

Wir können hoffen und auf die unverrückbaren Ideale der Demokratie blicken – trotz Chaos hat Österreich eine Regierung, trotz Chaos bestehen Verfassung und Rechtsstaat weiter. Auch wenn viele nun in die Politikverdrossenheit abdriften, dürfen wir nicht müde werden, die Fackel der Demokratie hochzuhalten, auch wenn Instabilität, Tribalismus und Extremismus versuchen sie auszulöschen. Halten wir sie weiterhin hoch, damit wir in ihrem Licht die Zukunft sehen, die hoffentlich Stabilität bringt.

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