Kommerz versus Tradition im Fußball: Ist der „Traditionsverein“ nur ein Mythos?

Er ist – manchmal mehr oder weniger – erfolgreich, blickt auf eine lange Geschichte zurück und darf sich großer Popularität bei seinen Anhänger*innen erfreuen. Ja, das ist er – der klassische „Traditionsverein“, wie er im Buche steht. Gerade in Zeiten, wo der amtierende österreichische Meister den Namen seines Sponsors trägt, hört man oft, dass dieser Verein nur die „pure Monetarisierung des Fußballs“ sei – schön ausgedrückt. Doch wieviel „Tradition“ mehr steckt in der Konkurrenz? 

Was macht nun einen Fußballklub zu einem „Traditionsverein“? Sind es die Fans, die Erfolge oder die Bestanddauer? Eine einheitliche Definition für diesen Begriff wird nicht zu finden sein, vielmehr sind es die subjektiven Ansichten der zu einem – ihrer Meinung nach – traditionsreichen Klub zugehörigen  Anhänger*innen. Das gewichtigste Argument dieser Fans ist, dass ein solcher keinem Sponsor gehören kann und auch nicht diese gewaltigen Summen „einfach so“ bekommt. Meistens betreffen diese Aussagen den Serienmeister aus Salzburg. Kleiner Faktencheck: Die finanzielle Stellung hat sich der Klub aus der Mozartstadt hart und über viele Jahre hinweg erarbeitet. Und gehören nicht alle Vereine auf irgendeine Art und Weise ihren Sponsorfirmen? 

Wie viele Traditionsklubs gäbe es, wenn…? 

Was die Punkte Bestanddauer und Erfolge betrifft, so stellt sich die Frage: Seit wann muss es den Klub geben und was muss er erreicht haben? Und auch tritt das Problem auf, dass man es auslegen kann, wie man will. Nehmen wir an, ein echter Traditionsverein muss mehr als 10 Titel, welche aus internationalen sowie nationalen Preisen resultieren, besitzen, und mindestens 100 Jahre alt sein. Dann würden vielleicht – mit Glück – drei oder vier Klubs in ganz (!) Österreich als Traditionsvereine gewertet werden. Wenn man aber die Anzahl der Preise um zum Beispiel 80 erhöhen würde, so käme gar kein Klub mehr infrage, ein „Traditionsverein“ zu sein. Oder auch, wenn man das Alter anheben würde. Und setzt man nur das Alter um eine bestimmte Zahl herunter, so sind auch „Kommerzvereine“ wieder „Traditionsvereine“.  Man sieht anhand diesem Beispiel sehr deutlich, dass dieser Begriff mehr subjektiv als objektiv ist. 

Auch die Anzahl der Fans ist ein Streitthema. Es gibt angebliche Traditionsklubs, die im Schnitt weniger Publikum in ihr Stadion bekommen, als „kommerzialisierte“ Sportklubs, wobei hier nur nationale Zahlen gewertet werden. Rechnet man jene Zuschauer*innen, welche bei internationalen Bewerben wie Champions- oder Europa League auf den Tribünen Platz nehmen, dazu, dann dürfte so mancher Traditionsverein keiner sein. 

Ohne Geld kein Fußball

Fakt ist, dass mittlerweile kein einziger Klub sich nur mehr auf die Einnahmen durch seine Zuschauer*innen verlassen kann, vorausgesetzt er will in den drei höchsten Spielklassen spielen. Überall ist man auf Mäzene angewiesen. Oder gibt es einen Verein, welcher nicht mindestens einen Sponsor hat? Und wie würde sich dieser finanzieren? Mittlerweile finden sich – insbesondere bei den Klubs der höheren Ligen – sogar mehrere Gönner. Entweder sie stehen auf den Trikots, sind im Stadion eingemietet, zeigen ihre Werbespots vor, während und nach dem Spiel über Videowalls, sind auf der Website des betroffenen Klubs aufgelistet oder der*die Stadionsprecher*in ruft voller Inbrunst: „Dieses Spiel wird Ihnen präsentiert von Firma XY, ein großes Danke dafür!“. Will man professionell kicken, dann führt einfach kein Weg an geldbringenden Menschen und Unternehmen vorbei. 

Alles nur Neid? 

Die Frage, die sich jetzt stellt, lautet, ob diese „Anschuldigungen“, den Fußball zu zerstören, nicht nur aus Neid verfasst werden. Keinen Menschen kümmert es, ob der SC Cashpoint Altach oder der RZ Pellets Wolfsberger AC nun einem Sponsor gehört oder nicht – nur beim FC Red Bull Salzburg scheiden sich die Geister. Im Gegensatz zu den anderen Vereinen – darunter auch größere Klubs wie SK Puntigamer Sturm Graz, ist Salzburg seit mittlerweile acht Jahren jener Verein, welcher die Liga nach Belieben dominiert. Kein Wunder, dass sich hier einiges an Enttäuschung und Hass aufstaut. Also scheint dies alles mehr oder weniger nur Neid zu sein. Und nur, weil kein Mäzen direkt im Namen steht, heißt dies nicht, dass man auch nur einen Funken Tradition mehr hat. Weiters wirkt es auch nur eine Art „Trostpreis“ zu sein, wenn man sagen kann, dass der Verein zwar (derzeit) nicht so erfolgreich ist, dafür aber nicht nur von einem finanzstarken Sponsor lebt. Und in Anbetracht dessen muss man erwähnen, dass viele Klubs mindestens ebenso reiche Unternehmen als Geldgeber haben, wie der Meister aus Salzburg. Um einige zu nennen: Coca Cola, Gazprom, McDonald‘s und BWT. 

Moderner Fußball oder Fußball von gestern? 

Nicht selten hört man Fans lamentieren, dass Salzburg nur eine „Ausbildungsstätte für schwarze Fußballer“ sei. Dies habe nichts mehr mit dem guten, alten Fußball zu tun und daher dürfe sich der Meister nicht als „Traditionsverein“ bezeichnen. Wer so etwas behauptet, hat erstens ein Rassismus-Problem, zweitens keinen nötigen Weitblick in andere Ligen. In der heutigen Zeit ist es ganz einfach so, dass Spieler*innen nicht mehr zwingend aus dem selben Land stammen wie der arbeitgebende Verein. Wer weiß, ob Robert Lewandowski auch Weltfußballer geworden wäre, wenn er immerzu in der polnischen Liga gespielt hätte? Und wie wäre es um die Situation der Klubs bestellt, würden sie nicht mit der Zeit gehen? 

Der „Traditionsklub“ ist ein Mythos!

Und abschließend noch folgendes Beispiel: Der FC Bayern wird von vielen als „Kommerzverein“ angesehen, und das, obwohl nicht nur der FC Bayern e. V. [eingetragender Verein; Anm.] auch Mehrheitseigentümer ist, sondern auch einfach gut gewirtschaftet wird und, wirft man einen Blick auf die Tabelle, die anderen deutschen Fußballklubs hinter sich lässt. Eigentlich müsste er die pure Inkarnation des „Traditionsklubs“ sein, was für manche Fußball-Liebhaber*innen nicht gilt. Anhand dieser Argumente muss man sagen, dass – traurig, aber wahr – der klassische, traditionelle Verein längst zum Mythos mutiert ist.

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