Vor 30 Jahren wurde mit dem Vertrag von Maastricht das Gebilde vervollständigt, das wir heute EU nennen. Das war die Zeit des Mauerfalls und damit eine Zeit der Neuerfindung. Viele dieser Erfindungen und Errungenschaften dauern bis heute an und sind es wert, noch länger erhalten zu bleiben. Im Folgenden machen wir einen Ausflug in die EU und sehen uns ihre Eckpfeiler an.
Geschichte
Der europäische Kontinent bestand wie kein anderer jahrhundertelang aus zerstückelten Ländereien, die sich bekriegten und von einer Katastrophe in die andere ritten. Doch der zweite Weltkrieg schoss den Vogel bekanntermaßen ab. In den 50er Jahren entstanden drei Verträge (EGKS, EWG und Euratom), die die Länder untereinander näher zusammenarbeiten und bewaffnete Auseinandersetzungen sinnlos werden ließen. Dem folgte besonders in den 80er und 90ern eine Phase der Euphorie, in der sich viele weitere Länder der Erfolgsgeschichte anschlossen. Als 2005 sogar von einer gemeinsamen Verfassung Europas gesprochen wurde, bremste man jedoch ab. Es folgten ab 2007 die Wirtschaftskrise mit dem altbekannten Problemkind Griechenland, 2015 die Flüchtlingskrise und zwei Jahre darauf der erste Austritt eines Mitgliedstaates. Nun, 2022, schiebt man im Ukraine-Krieg der EU eine gewisse Verantwortung zu und man fühlt sich gezwungen, Veränderung anzudenken.
Völkerrecht
Die EU ist wie die UNO und die OSZE eine internationale Organisation und somit im Grunde ein Vertrag mehrerer Staaten. Doch ohne allzu sehr mit dem Finger zeigen zu wollen, sieht man gerade bei den derzeitigen Kriegen, dass die Effektivität anderer Organisationen überschaubar ist. Dies liegt an einem grundlegenden Spannungsverhältnis, das sich durch das Völkerrecht seit jeher zieht. Länder wollen einerseits möglichst viel Souveränität wahren – und selbstbestimmt und autonom entscheiden. Andererseits kann nur zusammen etwas geschaffen werden, wenn man dies hier und da einschränkt. Von letzterem ist die EU der Inbegriff, besteht bei ihr doch die völkerrechtliche Seltenheit, als Staat bei Unstimmigkeiten überstimmt zu werden und mit mittels Verordnungen und in abgeschwächter Form auch Richtlinien direkt nationales Recht durch EU-Recht zu verdrängen. Das klingt für so manche Staaten unpopulär, doch wenn man zur UNO sieht, wo unter anderen Russland ein ständiges Vetorecht hat, denkt die EU einen Schritt weiter.
Wirtschaft
Dass in dieser Welt wirtschaftlich nicht immer alles perfekt abläuft, ist kein Geheimnis. Armut, Diskriminierung und Korruption gehören zur täglichen Realität. Doch während so mancher die Schuld dem Kapitalismus zuschiebt, bekämpft die EU genau diese Probleme mit mehr Kapitalismus. Durch den Binnenmarkt und dem Fallen der Grenzen steht es rechtlich allen Unionsbürgern offen, zu tun und lassen, was und wo sie wollen. Es kommt zur Inklusion aller und einem grenzenlosen Wettbewerb. Wenn ich beschließe, bei frisch zu kündigen und anstatt dessen Kieferchirurg in Portugal werden zu wollen, wird mich keiner daran hindern. Wenn ich dort besser bin als die ansässigen Kieferchirurgen und sie verdränge, dann habe ich den medizinischen Standard gehoben und die Welt verbessert. Wenn ich dort schlechter bin und nicht genug Leute in meine fiktive Ordination kommen, weil ich etwa kein Wort Portugiesisch spreche oder etwa ein sich selbst überschätzender 22-Jähriger bin, scheitere ich dort. Aber nicht deswegen, weil mir als Ausländer das Land Steine in den Weg legt.
Die Praxis
Freilich ist die Kritik an der Umsetzung oft groß. Besonders betrifft dies die laute Diskussion der Wirtschaftsmaßnahmen, die Länder manchmal sehr ungleich behandeln, die bis heute auf Unionsebene unbefriedigend gelöste Flüchtlingsfrage und nicht zuletzt die wenig effektiven Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen und Ungarn. All dies sind Gebiete, in denen die EU teils schon versagt, teils noch Möglichkeiten zur Wiedergutmachung hat. Auch die laufende Diskussion bezüglich des Ukrainekrieges lässt offen, ob man ein reines Wirtschaftsbündnis oder doch mit seinem geeinten Wertesystem weitergehen will.
Reisefreiheit
Diese praktisch auch für die Jungen sehr wichtige Errungenschaft darf zuletzt nicht vergessen werden. Alle, die schon einmal in Amerika stundenlang bei der Immigration angestanden und befragt worden sind, wissen, dass Reisen auch anders ausschauen kann. Und das ist auch für mich der Grund, weshalb ich nie nach Vietnam auswandern oder eine Green Card annehmen würde. Ich will mehr als nur mein Land. Ich will weiter fahren als nach St. Pölten oder Eisenstadt. Ich will in der Toskana oder auf Kreta am Strand liegen. Ich will in Paris eine filmreife Liebesgeschichte haben, in Ericeira wellenreiten und in Barcelona nächtelang feiern. Und ich hoffe, ihr kommt alle mit.