Der Geschichtelehrer der Nation ist tot – Nachruf auf Hugo Portisch

In diesen Tagen trauert die ganze Nation. Denn sie verliert einer der prägendsten Persönlichkeiten der zweiten Republik. Hugo Portisch brachte mehreren Generationen die Geschehnisse rund um den Globus ins Wohnzimmer. Seine Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte in einfacher, verständlicher Sprache zu vermitteln, machten ihn zum „Erklärer der Nation“.

Werdegang

Sein Leben als Journalist wurde ihm bereits in die Wiege gelegt. Bereits sein Vater Emil Portisch war in den 1920er Jahren Chefredakteur der „Preßburger Zeitung“. In kürzester Zeit studierte Hugo Portisch Germanistik, Geschichte, Anglistik und Publizistik in Wien und begann seine journalistische Karriere 1948 bei der „Wiener Tageszeitung“. Nach einem kurzen Engagement als Pressesprecher des Bundeskanzlers Julius Raab arbeitete er ab 1955 beim „Kurier“ und wurde 3 Jahre später Chefredakteur der damals größten Tageszeitung Österreichs. Ab 1967 war er Chefkommentator beim ORF und erklärte Millionen Menschen in Österreich die Ereignisse der ganzen Welt. Im Alter von 94 Jahren verstarb er nun am 1. April 2021 nach kurzer Krankheit im Wiener Rudolfinerhaus.

Ehrenzeichenüberreichung an Hugo Portisch durch Außenminister Alexander Schalleneberg 2019
Foto: Dragan Tatic Quelle: Wikipedia
Sein Schaffen

Durch die in den 60er und 70er Jahren noch raren Auslandskorrespondenzen erlangte er einen landesweiten Bekanntheitsgrad. Unvergessen sind auch die Stunden in denen Hugo Portisch den Österreicher*innen die Mondlandung Live im Fernsehen so präsentierte, als wäre er selbst vor Ort. Seine beiden Fernsehserien „Österreich I.“ und „Österreich II.“ sind bis heute fundamentale Grundlagen der österreichischen Geschichtsbildung und können gut und gern als Kulturgut bezeichnet werden. Bis heute ist es nur erstaunenswert, wie er teilweise derart komplexe Zusammenhänge und historische Ereignisse den Zuschauern so übermitteln konnte, dass es auch absolute Laien verstehen können. Ohne seine brillanten Dokumentationen und Überlieferungen würden ein Großteil der österreichischen Bevölkerung nichts oder nur sehr wenig über die eigene Vergangenheit Österreichs wissen. Die Dokumentarserie „Die Zweite Republik – eine unglaubliche Geschichte“ erschien 2005 und ergänzt seine bisherigen Werke mit bis dahin nicht veröffentlichten Dokumenten, in speziellen mit einem Fokus auf Russland. Weiters war Portisch auch bekannt für seine Kenntnisse in der Welt der Pilze. Gemeinsam mit seiner Frau Gertraude Portisch (verstorben 2018) veröffentlichte er den Band „Pilzesuchen – ein Vergnügen“ – und in der ORF Dokumentationsreihe Universum „Das geheimnisvolle Leben der Pilze“.

Politik

Wenn es um den tagespolitischen Diskurs ging, vermied Portisch immer seine persönliche Meinung zu äußern, da er großen Wert auf die Unabhängigkeit und Neutralität von Journalist*innen legte. Durch die sich zu Ende neigende Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Kurt Waldheim stand die Kandidatur Portischs zur Diskussion. Waldheim verzichtete auf eine Wiederkandidatur aufgrund seiner teils ungeklärten Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg, die ein im In- und Ausland schlechtes Image Österreichs zur Folge hatte. ÖVP und SPÖ hätten bereits vor einer möglichen Kandidatur in einem gemeinsamen Übereinkommen Hugo Portisch zusammen unterstützt. Der „Erklärer der Nation“ lehnte die ihm vorgeschlagene Position allerdings dankend ab. In seinem ganzen Leben gab er nur zweimal öffentlich eine Wahlempfehlung ab. Zum einen für die zweite Amtszeit Heinz Fischers 2010 und zum anderen für den momentanen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Diese Ausnahmen begründete er damit, dass Österreich in einer schwierigen innen- und außenpolitischen Lage gewesen sei und beide Kandidaten jeweils bodenständige Anhänger der Europäischen Union seien.

Sein Nachwirken

Sein Tod hat bei allen Generationen große Trauer ausgelöst. Diese Tatsache allein beweist schon die Zeitlosigkeit seines Schaffens. Völlig zurecht wurde ihm im Jahr 2019 das „Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ verliehen. Auf die Frage, was auf seinem Grabstein stehen solle, antwortete er: „Vergesst mich.“ – er möchte nach seinem Ableben die Menschen nicht noch aus dem Grab belästigen. Er sah sich immer als normalen Journalisten und nicht als Person der großen Taten. Dennoch hat Wiens Bürgermeister Michael Ludwig dem Ehrenbürger der Hauptstadt Hugo Portisch ein Ehrengrab zugesichert. Für viele aktuelle und zukünftige Journalisten bleibt er eines der größten Vorbilder. Sein Credo war: „Unsere stärkste Waffe ist die Wahrheit“. Diese These sollte ein Grundprinzip nicht nur in der Publizistik, sondern auch im alltäglichen Leben und vor allem in der Politik sein. Gerade in diesen Zeiten ist die Wahrheit unser größtes und wichtigstes Gut. Das Bewahren dieser Wahrheit sollte nicht nur dieser, sondern auch den kommenden Generationen von essenziellem Wert sein. Zumindest im Gedenken an einen der größten Journalisten unserer Zeit sollten wir diese Denkanstöße beherzigen und auch über Österreichs hinaus weitergeben.

Autor*in:

One Reply to “Der Geschichtelehrer der Nation ist tot – Nachruf auf Hugo Portisch”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

14 + 20 =