Er gilt nicht nur als großartiger Schriftsteller, sondern auch als erster Dirty Realist, Popkulturikone und Erfinder einer rohen, unbeschönigten Coolness, die nur ihm vorbehalten zu sein scheint. Im Folgenden wird erläutert, was Charles Bukowski in seiner Alltäglichkeit so einzigartig macht.
Als ich zum ersten Mal ein Buch von Bukowski las, war ich nicht gerade begeistert. Der mir von vielen als so grandios angepriesene Schriftsteller erwies sich als das Gegenteil. Mein damaliger Lieblingsautor war F. Scott Fitzgerald, der wohl am anderen Ende des Spektrums liegt. In Bukowskis Erzählungen gibt es keine Liebesgeschichten, zumindest keine, die über miserablen Sex und die abgebrühte Alltagsbeziehungen hinausgehen. Es gibt keine ästhetischen Partys, sondern betrunkene Obdachlose. Es gibt keine Karrieren, wie sie der amerikanische Traum erzählt, sondern vereinzelte Tage, an denen man nicht gekündigt wird. Alles an Bukowski ist grau, traurig und in vielerlei Hinsicht alltäglich. Und genau darin liegt seine Magie.
Ein Wunderkind war Bukowski nicht unbedingt. Bevor er erst spät, in seinen Fünfzigern, endlich den Durchbruch schaffte, schrieb er Jahrzehnte lang erfolglos, betrank sich auf Pferderennbahnen und sortierte Briefe bei der Post wie eine Maschine ein. Von Anfang an war sein Leben von Enttäuschung geprägt. Familiäre Probleme bedrängten ihn von seiner Jugend an, die Armutsgrenze war sein täglicher Balanceakt und schön war er auch nicht unbedingt. Genau dies machte Bukowski zum Thema seiner Werke. Seinen ersten Roman „Post Office“ schrieb er innerhalb weniger Wochen und darin erzählte er Alles und Nichts.
Im Gegensatz zur amerikanischen – oder allgemeiner gefasst „westlichen“ – Welt, die ständig auf der Suche nach Verbesserung, Wachstum und Perfektion ist, beschränkt sich Bukowskis Literatur auf einen Tatsachenbericht. Deswegen sind seine Geschichten auch glaubwürdig und treten einem so nahe. Nichts wird beschönigt. Nichts wird verdeckt. In eine ähnliche Kerbe schlägt sein Autorenkollege Raymond Carver, dem man beim Lesen auch so viel Ehrlichkeit zuspricht, dass es mit fiktionalen Geschichten kaum mehr etwas zu tun hat. Die beiden sind die bekanntesten Vertreter des sogenannten „Dirty Realism„, der sich sehr an diesem Stil orientiert.
Popkultur
Durch Hollywood und vor allem auch den selber geschriebenen Film „Barfly“ fand Bukowski letztlich auch einen festen Platz in der Popkultur. Zwar war der ästhetisch trinkende Künstler, der hinter allen Frauen her ist, mit Ernest Hemingway und Neal Cassady schon vorher angedeutet, doch keiner geriet damit derart in den Mainstream wie er. Dabei ist das genau nicht, was Bukowski eigentlich gewollt hat.
Im Gegensatz zu den ganzen filmischen Adaptionen, beispielsweise der Serie „Californication“, hat der Bukowski-Lifestyle nichts Schönes. Das Trinken führt nie zu aufregenden Geschichten, es ist mehr ein ständiger, stinkender Beifahrer. Die Sexgeschichten haben nichts Cooles an sich, sondern sind traurig und von jeder Erotik weit entfernt. Wer sich mal richtig ausheulen möchte, dem kann angeraten werden, sich das Interview mit dem Titel „Bukowski: on loosing his virginity“ auf Youtube anzusehen.
Eben nicht um die äußerliche Schönheit, das äußerliche Bild geht es bei Bukowski, sondern darum hässlich und traurig zu sein, es zu akzeptieren und ehrlich darüber zu sprechen. Das gibt Bukowski seine Coolness und macht ihn gleichzeitig zur wahrscheinlich missverstandensten Figur der Popkultur.
Aber das ist nicht so tragisch, wie das jetzt klingt, denn er selbst hat es ohnehin immer genommen, wie es gerade kommt.