Böses Geld für gute Worte

„Ich hoffe sehr, dass es eine Gegenleistung gab. Nämlich Berichterstattung und ein Inserat. Das ist nämlich der Preis, den man bezahlt.“ Altkanzler Sebastian Kurz hat in seiner Antwort auf die Frage, ob er etwas von Gegenleistungen für Inserate in der laufenden Korruptionsaffäre wisse ein offenes Geheimnis auf den Punkt gebracht. Wohlwohlende Berichterstattung lässt sich erkaufen. Das böse Zauberwort: Inseratenkorruption.

Kurz vorweg, die Presseförderung reiche nicht aus, um davon zu leben. Deswegen werde es in der gesamten österreichischen Medienlandschaft weiterhin eine hohe Inseratendichte geben, so das Fazit der ehemaligen Österreich-Journalistin Debora Knob.

In der Tat hat die Presseförderung von den 67,1 Million Euro Regierungsmittel für Tageszeitungen 2020 nur 9 Millionen Euro ausgemacht, Inserate hingegen 33,6 Millionen Euro. Davon sind wiederum 19 Millionen Euro an die drei Boulevardriesen Krone, Österreich und Heute geflossen. Das Bundeskanzleramt begründet die viele Werbung in den ohnehin finanzstarken Boulevardblättern anhand eines Verteilungsschlüssels, der sich nach Reichweite und Auflage richtet.

Quelle: Medienhaus Wien; Grafik: © frisch/Gaisfuss

Wie eine Studie des Medienhaus Wien zeigt, ist dieser Schlüssel einerseits in keinem einzigen Ministerium angewendet worden und andererseits sagt die Auflage nichts über die Leser*innenzahl aus. Bekanntermaßen sind Österreich und Heute Gratiszeitungen und weisen dadurch eine hohe Auflage auf. Dies führe zu einer Verzerrung des Marktes, so der Studienautor Andy Kaltenbrunner.

Kritiker*innen hungern, Freund*innen feiern

Eine weitere Auffälligkeit: Je nach Regierungsfreundlichkeit einer Zeitung fallen Kommunikation und Inseratenschaltungen aus. Ein Rückblick in das Jahr 2018. Der damalige Innenminister Herbert Kickl gibt einen Medienerlass gegen Der Standard, Falter und Kurier in Auftrag, der vorsieht „die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken und ihnen nicht noch Zuckerl, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen, es sei denn, ihr seht darin einen echten Mehrwert, bzw. die Möglichkeit einer neutralen oder gar positiven Berichterstattung.“

Die Zahlen bestätigen die damalige Abneigung des Innenministeriums beziehungsweise der Bundesregierung gegenüber diesen Zeitungen. Im Vergleich zwischen 2017 (SPÖ-ÖVP-Regierung) und 2018 (ÖVP-FPÖ-Regierung) hat der Kurier über 30 Prozent und der Falter knapp 80 Prozent seiner Regierungsinserateneinnahmen verloren. Für Falter-Chefredakteur Florian Klenk ist dies eine ganz klare Sanktion für die kritische Berichterstattung gegenüber ÖVP und FPÖ gewesen.

„Der Boulevard, vor allem die Fellner-Medien, die kannst du einfach kaufen. Also wenn du da Inserate hineingibst, dann kriegst du gute Berichterstattung und wenn du da keine Inserate hineingibst, dann kriegst du schlechte Berichterstattung.“
Markus Breitenecker, Geschäftsführer Puls4

Der Boulevard ist in dieser Zeit dagegen verwöhnt worden. Krone hat um sechs Prozent von 4.424.000 Euro auf 4.687.000 Euro zugelegt, Österreich um 16,3 Prozent von 3.127.000 Euro auf 3.638.000 Euro und Heute um 14,3 Prozent von 3.069.000 Euro auf 3.500.000 Euro.

Politische Werbung ist für Österreich’s Medien eine wichtige Finanzierungsquelle. Wie die obigen finanziellen Auswirkungen zeigen, könnte das die unabhängige Berichterstattung beeinflussen. Denn viele werden sich genau überlegen, ob sie die Hand beißen, die sie füttert.

Eine toxische Abhängigkeit

Der ehemalige krone.at-Chefredakteur Richard Schmitt berichtet aus eigener Erfahrung, die Politik habe gar nicht so viel Interesse daran, die Inseratenvergabe auf einen neutralen Boden zu bringen. Laut Schmitt würden die Medien folglich die Politik nicht mehr brauchen. Sprich, Politiker*innen könnten nicht mehr bei Zeitungen anrufen und mit Inseraten für freundlichere Berichterstattung locken. Es zeigt, Politik und Medien leben in einer Symbiose. Die folgenden Beispiele belegen die gegenseitige Abhängigkeit:

Im Sommer 2021 soll das ÖVP-geführte Finanzministerium laut News-Verleger Horst Pirker nach den News-Aufmacher-Geschichten „So mies geht’s Türkis“ und „Message Control: So mies geht’s Türkis“ einen Inseratenstopp in der gesamten Verlagsgruppe News mit einem Volumen von 200.000 Euro beordert haben.

„Ihr Ministerium inseriert im Schnitt weniger als alle anderen. Daher überlegen Sie sich, wie Sie das in Zukunft handhaben.“
Fellner-Vertrauter zu Mitterlehner, 2009

Wie dieses Machtspiel umgekehrt funktioniert, schildert Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) in seinem Buch „Haltung“. Darin zitiert er Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner aus deren ersten Begegnung mit den Worten: „Herr Mitterlehner, wir haben über Sie weder positiv noch negativ geschrieben. Das könnte sich jetzt gravierend ändern.“

Mehr Förderung, weniger Inserate

Eine gravierende Änderung möchte auch Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclub Concordia. Sie will den Spielraum der Regierenden in der Medienpolitik einschränken: „Die Medienförderung gehört höher dotiert und nach klaren Kriterien und vor allem nach Qualitätskriterien vergeben. Was die Seite der Inserate betrifft, vor allem der Regierungsinserate, gehört ganz klar festgelegt was denn die Kommunikationsziele sind, wer erreicht werden soll und da braucht man sicher weniger Budget als jetzt eingesetzt wird.“ Aus der Opposition im Nationalrat hört man, dass das Medientransparenzgesetz verschärft werden soll. Zudem soll eine Medienkompetenzstelle eingerichtet werden, die Inseratenvergaben prüft.

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