NEOS-Spitzenkandidatin und Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger spricht im Interview mit frisch-Chefredakteur Stv. Markus Gratzer über umfassende Bildungsreformen, Maßnahmen zur Förderung junger Berufseinsteiger und die Schaffung leistbaren Wohnraums. Darüber hinaus erläutert sie die Pläne der NEOS, den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern und jungen Menschen den Weg ins Unternehmertum zu ebnen.
Frau Beate Meinl-Reisinger, welche Pläne haben Sie und die NEOS, um das Bildungssystem für junge Menschen innovativer und attraktiver zu gestalten?
Wir wollen die Schule wieder zu einem Ort machen, an dem man gerne lernt und arbeitet. Lehrer:innen sollen von Bürokratie befreit werden und mehr Zeit für die Zuwendung zu den Kindern und Jugendlichen haben. Die Schule soll mehr Autonomie und die Schüler:innen mehr Wahlfreiheit bekommen.
Die Lehrpläne wollen wir in Pflicht und Kür gliedern. Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen sollen für alle sichergestellt und auch extern getestet werden. Darüber hinaus sollen die Lehrpläne aber viel Freiraum bieten, damit Kinder und Jugendliche ihre Talente entdecken und ihren Interessen nachgehen können. Das Ziel soll nicht sein, dass alle dasselbe können, sondern dass jede:r einen Bereich findet, wo er oder sie zu besonderen Leistungen fähig ist.
Wir wollen ein Bildungssystem, das von hohen Ansprüchen und großer Unterstützung geprägt ist. Jedes Kind soll in Kindergarten und Schule jene Aufmerksamkeit und Förderung erhalten, die es braucht, um unabhängig vom sozialen Status der Eltern seine Talente zu entfalten und Bildung als Startrampe in ein selbstbestimmtes, gelingendes Leben zu erfahren. Mehr Unterstützung und österreichweit 20.000 zusätzliche Pädagog:innen braucht es u.a. im Kindergarten, im Bereich Inklusion/Sonderpädagogik, im Bereich Integration/Sprachförderung, an Schulen mit sozialen Herausforderungen und für die individuelle Förderung in den ersten Schuljahren.
Außerdem sollen die Chancen der Digitalisierung besser genutzt werden. Dafür wollen wir eine „Schulbuchaktion 2.0“ für digitale Lernprogramme, eine Online-Schule für ein österreichweites Wahlfächer- und Vertiefungsangebot und bessere Fortbildung für die Lehrkräfte umsetzen.
Wie wollen Sie den Einstieg in den Arbeitsmarkt für junge Berufseinsteiger verbessern?
Indem sich Leistung wieder lohnt. Arbeitnehmer:innen muss mehr Netto von ihrem Bruttoentgelt bleibt. Daher fordern wir eine Senkung der (vor allem nicht-arbeitnehmerbezogenen) Lohnnebenkosten in Höhe von 6,55 Prozentpunkten, eine Senkung der Steuertarifsätze und -grenzen und einen Vollzeitbonus. Davon würden alle – und folglich auch junge – Arbeitnehmer:innen erheblich profitieren. Außerdem wollen wir den Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt unterstützen, indem wir mehr Praxis in die Lehrpläne bekommen, die Lehre aufwerten und dafür sorgen, dass mehr Quereinsteiger aus der Wirtschaft Lehrerinnen und Lehrer werden.
Wie wollen Sie die Schaffung von leistbarem Wohnraum für junge Menschen beschleunigen?
Wir wollen, dass sich junge Menschen aus eigener Kraft wieder etwas aufbauen können, dazu gehört natürlich auch leistbarer Wohnraum. Erstens fordern wir die Zweckwidmung der Wohnbauförderung und Rückflüsse, um sicherzustellen, dass diese Mittel auch wirklich für den Wohnbau genutzt werden. Zweitens wollen wir flexible Mietkaufmodelle stärken, die es jungen Menschen ermöglichen, durch Mietzahlungen Eigentum anzusparen. Drittens streben wir eine Senkung der Kaufnebenkosten an, z.B. durch einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer beim Erstkauf. Schließlich fordern wir eine Entrümpelung der Bauordnungen und stärkeren Fokus auf Sanierung und Nachverdichtung, um die Schaffung von Wohnraum zu erleichtern und zu beschleunigen.
Was möchten Sie unternehmen, um mehr junge Menschen für Startups zu begeistern?
Unternehmertum ermöglicht es Menschen, ihre Interessen und Leidenschaften zu verfolgen, was Innovation und Arbeitsplätze in Österreich schafft und unseren Wohlstand sichert. Wir wollen junge Menschen für Startups begeistern, indem wir die Rahmenbedingungen für Unternehmertum radikal verbessern und uns damit auf Chancen und nicht mehr die Bürokratie konzentrieren. Wir setzen uns für eine vollständige Digitalisierung der Gründungsprozesse ein, sodass diese innerhalb von 24 Stunden abgeschlossen werden können. Wir wollen steuerliche und bürokratische Hürden für Startups senken und Anreize für Risikokapitalinvestments schaffen. Nur so können wir Menschen in Österreich die Chancen der Selbstverwirklichung durch Unternehmertum aufzeigen. Der Staat muss die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, statt weitere Hürden aufzubauen. Jetzt ist die Zeit für mutige Reformen statt kleiner Kompromisse.
Wie möchten Sie und Ihre Partei sicherstellen, dass auch junge Menschen Zugang zu hochwertiger Bildung und Ausbildung in ländlichen Regionen haben?
Indem wir die erste große Bildungsreform seit 1962 angehen und den Kompetenzwirrwarr zwischen Bund, Ländern und Gemeinden entwirren. Das österreichische Bildungswesen verfügt über ein dichtes Netz an Schulen, auch im ländlichen Raum und ist im internationalen Vergleich sehr kleinteilig, umfasst also viele Klein- und Kleinstschulen. Je höher die Schulstufe und je spezialisierter die Ausbildungen, desto schwieriger ist es aber, diese überall anzubieten. Um die Bedürfnisse der Jugendlichen im ländlichen Raum gut abzudecken, braucht es daher gute Verkehrsverbindungen zu den höheren und berufsbildenden Schulen. Hier setzen wir uns für Verbesserungen ein.
Außerdem wollen wir gerade in der Oberstufe und in der Berufsbildung die Möglichkeiten der Digitalisierung besser nutzen. Eine Möglichkeit wäre bspw. ein Tag pro Woche mit Online-Unterricht und Online-Lernprogrammen. Das würde einerseits Fahrzeiten reduzieren und andererseits auch neue Möglichkeiten schaffen. Im Online-Unterricht können bspw. auch Expert:innen von weiter weg in die Schulstunde eingeladen werden, internationale Kooperationen gestartet oder neue Lernformen wie Gamification eingebunden werden. Damit wir Kindern und Jugendlichen auch mehr bei der Berufsorientierung helfen und regionale Potenziale besser nutzen, wollen wir Kooperationen der Schulen mit regionalen Betrieben, Vereinen und anderen Einrichtungen ausbauen und stärken.
Wie möchten Sie die Jugendarbeitslosigkeit senken und gleichzeitig faire Arbeitsbedingungen schaffen?
Indem wir die Lehre aufwerten, eine duale Oberstufe einführen und den Übergang von der (Aus-)Bildung in den Arbeitsmarkt verbessern. Damit niemand mehr ohne die nötigen Grundkompetenzen und einen Abschluss die Pflichtschule verlässt, wollen wir eine Mittlere Reife einführen – und auf dem Weg dorthin Chancengerechtigkeit und Förderungen stärken.
Welche Maßnahmen planen Sie, um Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Sexualität oder Herkunft in Österreich weiter abzubauen?
Für uns ist klar: Jede:r soll leben und lieben können, wie sie/er möchte. Dafür mit Diskriminierung konfrontiert zu werden, ist nicht tragbar und dass die Regeln in den Bundesländern auch noch verschieden ausgestaltet sind, muss ein Ende haben. Diskriminierungsschutz kann nur wirksam sein, wenn er umfassend ist und auch durchgesetzt werden kann.
Was wird Ihr Plan sein, um den Zugang zu psychischer Gesundheit und Beratung für junge Menschen zu verbessern?
Wir müssen psychische Gesundheit endlich genauso ernst nehmen wie körperliche Gesundheit. Gesund aus der Krise hat sehr gute Ergebnisse erzielt, wichtig wäre aber eine langfristige Absicherung und Integration in die reguläre Versorgung. Für uns ist deshalb wichtig, dass Schulgesundheitsteams (Schulsozialarbeiter, -psychologen und -therapeuten sowie School Nurses) je nach Bedarf an allen Schulen vorhanden sind und Kinder und Jugendliche deshalb immer eine Ansprechperson für Bedarf haben. Zusätzlich begrüßen wir den Ausbau der Kassenleistungen in der Psychotherapie sehr, fordern aber eine gänzliche Abdeckung von Psychotherapie als Kassenleistung sowie einen Ausbau der stationären Versorgunng, nachdem diese seit Jahren unter dem vorgesehenen Niveau liegt.
Letzte Frage: Was geben Sie einem jungen Menschen mit auf dem Weg?
Ich möchte allen jungen Menschen alle Chancen mit auf den Weg geben. Deswegen mache ich Politik.