Viel Lärm um nichts? Das Wahlprogramm der FPÖ

Bei der EU-Wahl vor einigen Monaten wurde die FPÖ als “Wahlsieger” gefeiert. Bei dieser Wahl hat sie 25,4% der Stimmen erhalten und somit 6 Personen nach Brüssel entsandt. Nun steht die Nationalratswahl kurz bevor und man kann davon ausgehen, dass die FPÖ auch hier wieder einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung für sich begeistern können wird. Daher lohnt es sich auf jeden Fall, einmal einen gründlichen Blick darauf zu werfen, was diese Partei mit Österreich vorhat.

Der Ton der FPÖ – vage, ablehnend, angsterfüllt

Das diesjährige Wahlprogramm steht unter dem Motto “Festung Österreich; Festung der Freiheit”. Als Sinnbild dessen, wie sich dieses – über 90 Seiten lange – Dokument liest, hier ein kurzer Einblick:

“Unser gemeinsames freiheitliches Ziel ist es, den Auflösungsprozess unseres Staates zu stoppen und unserer Republik Österreich wieder die volle Verfügungsgewalt über die drei wesentlichen Elemente – Regierung, Raum und Volk – zu verschaffen. Diese drei Elemente vereinigen sich zu einer Festung, die unserer geliebten Heimat Österreich und jedem einzelnen Bürger die größtmögliche Freiheit gibt.”

Um festzuhalten, wie viele Probleme man alleine in einem Satz dieses Dokuments finden kann, hier eine kurze Analyse: Sätze wie der erste dieses Absatzes fallen im Verlauf des Wahlprogramms immer wieder. Österreich sei ständig kurz davor endgültig zerschlagen zu werden, ein Unterfangen, das die Regierung ja mit Absicht herbeiführen würde. Aber ebenso offenbaren sich in diesem Absatz auch die gewaltigen Logiklücken, die einem auf diesen Seiten immer wieder begegnen werden. Jede:r Leser:in sollte sich bei diesem Absatz zwei Fragen stellen: Erstens, wer löst Österreich auf und profitiert davon? Zweitens, wer hat denn die angebliche Verfügungsgewalt über Österreich, wenn wir sie anscheinend nicht mehr haben? Diese Fragen sind natürlich rein rhetorischer Natur, denn wer auf eine Auflösung hofft, wird enttäuscht. Um die Beantwortung relevanter Fragen soll es hier ja auch gar nicht gehen, viel wichtiger ist, dass das Gesagte (in diesem Fall das Geschriebene) nach einem großen Problem klingt. Die FPÖ solle einen dann davor beschützen. Außerdem sollten die Aussagen bestenfalls ein Gefühl von “das hab ich immer schon g’sagt!” oder “wusste ich’s doch!” bei den Leser:innen erzeugen. Was man denjenigen, die diese Broschüre formuliert haben, durchaus zugestehen muss, ist, dass die Sätze wirklich wunderschön klingen. Man kann sich bildlich vorstellen, was gemeint ist und zum Glück sind sie so formuliert, dass wirklich jede:r sie verstehen kann. Der letzte Punkt des Absatzes spricht dann von “einer Festung, die Freiheit gibt”. Bei einer Festung denken viele wahrscheinlich zuerst an hohe, unüberwindbare Mauern, Türme mit Schießscharten und meterhohe Tore aus Metall. Wie dieses Sinnbild als Metapher der Freiheit funktionieren soll, bleibt unklar.

Die “Inhalte” und deren Aufbereitung

Welche Inhalte vertritt die FPÖ eigentlich? Diese scheinbar simple Frage lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Wer hofft, eine Seite zu finden, auf der kurz und prägnant die wichtigsten Punkte zusammengefasst werden, wird lange suchen. Vielmehr ist das große Wahlprogramm in Abschnitte unterteilt, die aus der „ich“ Perspektive verfasst sind. “ICH WILL SELBST ÜBER MEIN LEBEN ENTSCHEIDEN” oder “ICH WILL GUT, GESUND UND GLÜCKLICH LEBEN”. In diesen finden sich dann wiederum kurze, prägnante und extrem vage Sätze: “SCHUTZ DES LEBENS STEHT IM MITTELPUNKT”. Diese werden dann jeweils in einigen Sätzen noch näher erläutert. Diese Erklärungen sind die eigentlichen Inhalte.

Jetzt, da wir bereits einige Schichten tief eingetaucht sind, offenbaren sich die richtigen Ideen. Wie sehen die aus? Hierfür können wir einen Absatz aus dem vorhin erwähnten Themengebiet “ICH WILL SELBST ÜBER MEIN LEBEN ENTSCHEIDEN” näher betrachten. Im Unterpunkt “KEIN STEUERGELD FÜR DIE BEWERBUNG VON „QUEEREN“ EXPERIMENTEN” geht es um Transpersonen. Die FPÖ behauptet hier, dass das einzig “richtige” Familienbild “Mutter, Vater, Kind” wäre und das dessen Abweichung die “Auflösung der auf Binärität fußenden gesellschaftlichen und rechtlichen Ordnung” bedeuten würde.

Immer dann, wenn es um Queerness oder Transthemen geht, stellt die FPÖ ihre Ansichten so dar, dass die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen rein zum Schutz von Kindern wären. Es wird auch davon gesprochen, dass man dieser Personengruppe nicht viel Aufmerksamkeit schenken solle, da es hier statistisch um eine recht kleine Anzahl an Menschen geht. Dennoch scheinen diese wenigen Menschen anscheinend doch eine Gefahr für die Gesellschaft darzustellen – eine weitere Logiklücke, die nie aufgeklärt wird. Hier offenbart sich allerdings wieder ein anderes massives Problem: Die FPÖ spricht davon, dass Transpersonen einen Einfluss darauf hätten, dass Dritte, unbeteiligte Personen dann plötzlich nicht mehr frei über ihr Leben entscheiden könnten. Transpersonen ihr Recht auf Selbstbestimmung abzusprechen scheint aber kein Problem zu sein. Generell ist das ein Phänomen, das sich konsequent durch das gesamte Wahlprogramm zieht. Maßnahmen oder Ideen, die die FPÖ für gut und richtig hält, können gern im kompletten Gegensatz zu dem stehen, was sie eigentlich fordern. So propagieren sie Selbstbestimmung, sprechen gewissen Gruppen diese jedoch völlig ab. Meinungsfreiheit geht auch nur so weit, bis sie für ihre Aussagen kritisiert werden. Der ORF zum Beispiel sei ein “vom Gesinnungsjournalismus geprägtes Propaganda Werkzeug“, aber Berichterstattung in ihrem Sinne seien lediglich “kritische Stimmen”.

Der Wahlkampf in Zahlen

Auch die Covid-19 Pandemie scheint für die FPÖ immer noch ein wichtiges Thema zu sein. Allgemein werden die Maßnahmen der Regierung während der Pandemie als übertrieben, bösartig und verfassungswidrig dargestellt. Jedoch fordern sie im selben Atemzug eine Entschädigung für Personen, die unter den Folgen von “Long-Covid” leiden. Wieder kann sich die FPÖ nicht entscheiden, ob die Maßnahmen, um Menschenleben zu schützen, nun übertrieben waren oder ob die Krankheit nicht doch gefährlich war. Insgesamt kommt das Wort “Corona” (die FPÖ verwendet durchweg den Kolloquialnamen) 23 mal im gesamten Dokument vor. Vermutlich, um die Regierung als Bevormunder und Demokratiefeinde darzustellen. Damit einhergehende “Zwänge” sind auch ein wichtiges Thema. So kommt das Wort “Zwang” insgesamt 13 Mal vor, obwohl keines der Beispiele tatsächlich einen Zwang darstellen. Die FPÖ will das Gefühl vermitteln, dass die Regierung die Bürger:innen stets bevormunden und zu horrenden Dingen zwingen will, auch wenn dies offensichtlich nicht der Fall ist.

Ein weiteres großes Thema ist Migration. Die Wörter “Migranten” oder “Ausländer” kommen insgesamt 39 Mal in ihrem Wahlprogramm vor. Diese absurde Zahl ergibt sich auch daraus, dass die FPÖ krampfhaft versucht, jedes beliebige Thema irgendwie mit Migration in Verbindung zu setzen. Egal ob es um Kriminalität, Wohnraum oder Sozialleistungen geht. Sogar in dem vorher erwähnten Absatz über Transpersonen meint die FPÖ in einem Nebensatz, dass ein EU-Kommissar für queer-Themen sinnlos sei und man stattdessen einen Kommissar für “die Remigration der wesentlich größeren Gruppe an Menschen, die uneingeladen nach Europa gekommen sind” einsetzen solle. Insbesondere hat die FPÖ ein großes Problem mit dem Islam. Dieser wird durchwegs mit Wörtern wie “Hass” oder “Respektlosigkeit” in Verbindung gebracht. Auch hier zeigt sich erneut, dass die FPÖ Probleme damit hat, ihre Inhalte objektiv vorzutragen, da dann ihre wahren Absichten offenbart würden. Sie müssen gewisse Personengruppen stigmatisieren, um überhaupt “Inhalte” vortäuschen zu können.

Viel Lärm um nichts?

Abschließend lässt sich festhalten, dass das Wahlprogramm der FPÖ sich vor allem auf das Bekämpfen ihrer selbsternannten Feindbilder konzentriert. Stimmen, die ihnen gegenüber kritisch sind, werden als “ideologisch voreingenommen”, “demokratiefeindlich” oder schlicht als “cancel culture” bezeichnet. Auf Belege ihrer Thesen, seien diese logischer oder gar empirischer Natur, verzichtet die FPÖ fast gänzlich. Es geht nicht darum, real existente Probleme systematisch zu beheben, sondern darum, Probleme zu erdenken, wo keine sind oder andernfalls den Regierungsparteien die Schuld zu geben. Die FPÖ vertritt hierbei wenig eigene Inhalte, die nicht auf „alle sind schlecht, nur wir haben noch Verstand“ herunterzubrechen sind. Sie sprechen davon, dass nur sie noch Österreich vor den Demokratiefeinden schützen könnten, aber werben mit Wahlsprüchen die eindeutig an die NS-Zeit erinnern. Sie ist eine Partei der Widersprüche, die jedoch viel Zuspruch findet, sie scheinen inhaltslos und doch glauben Leute, dass die FPÖ wirklich etwas bewegen kann.

Diesen Sonntag, den 29.09. ist Nationalratswahl. Geht wählen.

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