Das Leben mit Migräne – Im Gespräch mit Phia Quantius

Wer schon einmal einen Migräneanfall hatte, wird wissen, wie schwer es sein kann, mit dieser Krankheit zu leben. Es geht hierbei jedoch um weit mehr als nur die Schmerzen, die Symptome, die man aushalten muss. Es geht auch um den stetigen Einschnitt ins private Leben und um das Problem, anderen zu verdeutlichen, wie sehr man unter dieser Krankheit zu leiden hat. Chefredakteurin Chiara-Marie Hauser lebt selbst seit Jahren mit dieser chronischen Krankheit und hat sich hierfür mit Fragen an Phia Quantius gewandt.

Liebe Phia, stelle dich doch bitte unseren Leser*innen kurz vor: Wer bist du und was machst du?

Ich bin Phia (25) und wohne mit meiner Hündin Ma und meinem Partner Malte in Hamburg. Ich bin Autorin, Model, mache Kram auf Social Media und bin ehrenamtliche Tierschützerin von der Notpfote. Mein Buch „Bombenkopf“ handelt von mir und meinem Leben mit meiner unsichtbaren Krankheit Migräne mit Aura. Auch auf Social Media kläre ich hauptsächlich über mein Leben mit Migräne auf und kämpfe für die Sensibilisierung der Krankheit. Ich selbst leide seit meinem 11. Lebensjahr unter der Krankheit und werde dadurch in meinem Leben fundamental eingeschränkt.

Wer dir auf Social Media folgt, ist sicherlich schon über deine Videos zum Thema Migräne gestolpert. Wie lange lebst du nun schon aktiv mit Migräne und wie kam es zu der Idee, darüber auf Social Media aufzuklären?

Zum jetzigen Zeitpunkt (2024) leide ich knapp 14 Jahre unter Migräne mit Aura. Meine Migräne äußert sich mit brutalen einseitigen Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geruchsempfindlichkeit, Sprachstörungen, Halluzination, Fieberträume, Lähmungserscheinungen, Sehstörungen – bis hin zu Sehverlust für einige Minuten. Meine Anfälle tauchen acht Mal im Monat auf und können von einer Zeitspanne einiger Stunden bis zu 72 Stunden anhalten. Alleine in Deutschland leiden 18 Millionen Menschen unter Migräne und trotzdem wird diese unsichtbare Erkrankung selten bis nie ernst genommen. In meiner Jugend kannte ich niemanden, der/die auch unter Migräne leidet. Auf Social Media waren Krankheiten und die Psyche Tabuthemen. Denn wenn du krank bist, bist du nicht belastbar. Und wenn du nicht belastbar bist, bist du schwach. Und bist du schwach, passt du nicht in die Gesellschaft. So bin ich zumindest in unserer Gesellschaft groß geworden. Traurig aber wahr. Ich habe mich mit meiner Krankheit sehr einsam gefühlt. Daher wusste ich, dass wenn ich Social Media mache, ich mich zeigen möchte, wie ich bin. Und meine Migräne macht mich zwar nicht als Person aus, aber sie gehört leider zu mir. Und deswegen wollte ich mein Leben mit Migräne so zeigen, wie es nunmal ist. Deswegen sind meine Videos zur Migräne für einige auch sehr doll, aber das ist diese Erkrankung eben. Sie ist brutal. Fazit: Ich wollte mein Leben mit meiner Migräne zeigen, um Menschen, die auch unter ihr leiden, Mut zu machen. Und um ihnen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind und dass ich sie sehe, verstehe und ernst nehme.

Ich denke, wir alle, die mit Migräne leben, wissen, wie schwierig es sein kann, anderen zu erklären, welche Symptome uns begleiten und wie intensiv Migräne das eigene Leben „auf Pause“ setzen kann. Wie gehst du mit diesen Gefühlen um? Gibt es Ansätze, die du verfolgst, um anderen verständlich zu machen, was Migräne eigentlich bedeutet?

Migräne bringt leider nicht nur die brutalen Schmerzen mit sich, sondern auch die negativen Gedanken. Man fühlt sich schuldig, dass man wieder einen Geburtstag absagen muss. Man fühlt sich schuldig, weil man wieder einen Job absagen muss. Man bekommt Selbstmitleid, weil man das eigene Leben verpasst. Diese Gedanken können sehr doll werden und nach einem akuten Anfall, falle ich häufig in tiefe Löcher. Ich für meinen Teil habe gelernt, dass es für mich ok ist, in solche Löcher zu fallen. Dass es ok ist, mal nicht mehr zu können und alles scheiße zu finden. Dass man keine Kraft hat, zu kämpfen. Die Hauptsache ist, dass man irgendwann wieder hoch kommt und weitermacht. Und für sich weiterkämpft. Als würde das alles nicht schon genug sein, muss man sich in der Gesellschaft auch noch erklären, dass man nicht übertreibt. Und, dass Migräne nicht gleich Kopfschmerz ist und nicht mit einer einfachen Schmerztablette gelindert werden kann. Ich bin der Meinung, dass Aufklärung das A und O ist. Vor allem gesunde Menschen können meist nicht nachempfinden, was man als chronisch kranke Person durchmacht. Für die Sensibilisierung dieser Krankheit veröffentliche ich Videos auf Social Media von meinen brutalen Anfällen oder schreibe ein Buch über das Leben mit meiner Migräne. Und ich freue mich immer wieder, wenn Menschen zu mir kommen und mir erzählen, dass sie zwar nicht unter Migräne leiden, aber jetzt verstanden haben, was Migräne eigentlich ist. Menschen, die aber Migräne partout nicht verstehen wollen, egal wie oft man sich erklärt, bei denen weiß ich einfach, dass der Zug abgefahren ist. Und da stecke ich auch nicht mehr meine Energie rein.

Dein Buch „Bombenkopf“ erschien letztes Jahr, in dem du deinen Leser*innen Einblicke in dein Leben mit Migräne gibst und offen über deine Ängste sprichst. Wie kam es zu der Idee für das Buch und wie hast du die verschiedenen Einblicke ausgewählt?

Mein Buch zeigt mehr oder minder mein ganzes Leben mit meiner Migräne mit Aura. Von meinem ersten Anfall als 11-jähriges Mädchen bis hin zu meinen Ängsten, Gedanken, Ärzte- und Ärztinnen-Marathons und meinem Umgang mit der Krankheit. Die Einblicke im Buch sind quasi ein Zeitstrahl meines Lebens. Wenn man so möchte, dann werden die Leser und Leserinnen mit mir gemeinsam erwachsen. Während des Schreibens, bin ich gedanklich mein Leben mit meiner Krankheit durchgegangen. Die schlimmsten Anfälle und Gedanken bleiben bis heute im Kopf. Das vergisst man nie. Deswegen finden sie auch im Buch statt. Aber auch meine Denkweise und mein Umgang mit meiner Krankheit hat sich stark verändert vom 11-jährigen Ich bis zur jetzigen Phia. Und so wächst man in meinem Buch gemeinsam mit mir. Wie schon erwähnt, ist die Aufklärung für mich das Wichtigste. Da ich so oder so schon über Social Media über Migräne aufgeklärt habe und privat sehr gerne für mich selbst schreibe, hatte ich einfach Lust beides zu kombinieren. Und ich bin ehrlich: Ich liebe mein Buch. Auch wenn es viele harte Einblicke in mein Leben sind und ich durch das Schreiben mein Leben mit viel Schmerz Revue passieren lassen musste, würde ich es immer wieder machen. Ich glaube nämlich, es gibt nicht nur anderen Menschen sehr viel Kraft und Mut, sondern es hat mir auch sehr viel Kraft und Mut geschenkt, weiter gegen meine Krankheit zu kämpfen.

Gibt es etwas, das du jungen Menschen mit auf den Weg geben möchtest, wenn es um das Thema Migräne geht?

Wenn du selbst unter Migräne oder unter anderen Krankheiten leidest, dann steh für dich selbst ein. Es ist dein Leben und deine Gesundheit und du musst für dich wissen, was deine Grenzen sind und was du schaffst oder was du nicht schaffst. Denk dran: „Du bist nicht komisch, du bist krank!“. Vor allem möchte ich dir aber mitgeben, dass du nicht alleine bist.

Wir danken Phia fürs Gespräch!

Hier kommt ihr zu Phia’s TikTok und Instagram

Autor*in:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

3 × 5 =