Mit ihrem autobiographischen Buch “I´m glad my mom died” zeigt uns Jennette McCurdy, wie es hinter den Kulissen von Erfolgsshows wie “iCarly” aussieht, wie es ist, als Kinderschauspielerin vor Millionen von Augen aufzuwachsen, und natürlich auch was Eltern dabei für eine Rolle spielen.
Als Kind des Geburtenjahrgangs 2000 war ich ein paar Jahre zu alt, um in den richtigen Höhepunkt der Digitalisierung hineingeboren zu werden. In meiner Kindheit gab es noch Tastenhandys von Nokia, Kassetten und vor allem den Fernseher, ein Gerät, das mittlerweile eher unter den Pensionist:innen Anklang findet. Dort gab es für Kinder, denen am Nachmittag langweilig war, neben SuperRTL vor allem einen Sender, nämlich Nickelodeon, auf dem Serien, wie Zoe 101, Big Time Rush und iCarly gespielt wurden. Diese Nickelodeon-Formate wurden Teil der Kindheit.
Um auf das Buch zu sprechen zu kommen, das hat mich zugegeben anfangs nur wegen seines ausgefallenen Titels interessiert. „I´m glad my mom died“ oder übersetzt „Ich bin froh, dass meine Mutter gestorben ist“. Selbst wenn man den Titel beim ersten Anblick pietätslos findet, muss man McCurdy lassen, dass er unvergleichbar catchy ist. Hinzu kommt das Coverbild der blonden Frau, die mit einem zufriedenen Lächeln eine Urne in die Kamera hält, die, der Überschrift nach zu schließen, ihre Mutter beinhaltet. Alles in mir brachte dieser Autorin die größte, noch inhaltsleere Bewunderung für diesen ersten literarischen Eindruck entgegen.
Bei genauerem Einlesen in die Hintergründe hat es mich dann auch inhaltlich erwischt. Mit den Serien, in denen sie mitspielte, bin ich, wie schon angemerkt, aufgewachsen. Dahingehend hat mich die Tatsache, dass es hinter den Kulissen der erstgenannten Serie ziemlich wüst zuging, sehr berührt. Denn wie McCurdy selber sagt, von einem Sender, der Kinderfernsehen macht, sollte man eigentlich ein erhöhtes Maß an Achtsamkeit erwarten dürfen.
Die Grauensgeschichte begann schon in frühster Kindheit mit in jeder Hinsicht nicht idealen Bedingungen. Jennette McCurdy wuchs in einer armen mormonischen Familie auf, wobei ihre im Grunde psychisch schwer kranke Mutter eine besonders dominante Stellung einnahm. Sie drängte das Kleinkind entgegen ihrem Willen von einem Vorsprechen zum nächsten und lernte ihr bereits in frühsten Jahren eine Essstörung an, die McCurdy für den Großteil ihres Lebens begleiten sollte.
Hinzu kam der unerwartete Erfolg mit der Serie „iCarly“, die durch die Decke ging. Von heute auf morgen war das schüchterne Mädchen einem Millionenpublikum auf der ganzen Welt bekannt. Auf den Sets dieser Show wuchs sie auf, wurde unterrichtet, fand Freund:innen und hatte nicht ganz freiwillig ihren ersten Kuss vor laufenden Kameras und das unter den Anweisungen eines groben Regisseurs. Ihre Geschichte mit dem Sender wird in späteren Jahren noch ganz interessant, aber ich möchte dem Buch nicht zu viel vorwegnehmen.
Konzentrationspunkt der Handlung bleibt allerdings die disfunktionale Beziehung zwischen einer narzisstischen Mutter und einer Tochter, der es schwerfiel, sich von ihren eigenen Eltern zu distanzieren. In diesem Hinblick lohnt es sich, einen generellen Blick auf Kinderschauspielerei zu werfen und sich als Gesellschaft zu fragen, wie man diesen zwar notwendigen, aber höchst problemanfälligen Teil der Filmcrew in Zukunft behandeln sollte.
Matthew McConaughey hat in einem Interview mit Joe Rogan im JRE einmal gesagt: „Hollywood is not a place to find yourself. It´s a place to be whoever you want to be.” Damit traf er meiner Auffassung nach den Nagel auf den Kopf. Im Interview sprachen sie auch über Justin Bieber, der zwar nicht ein ganz so tragisches Schicksal wie McCurdy zu haben schien, aber doch immer wieder aufgrund peinlicher Skandale in den Medien landete. Vielleicht sind die Leute, die wir in unserer Kindheit immer bewundert haben, auch nur Menschen, und ganz vielleicht geht es ihnen nicht automatisch besser als uns.