Nomadland – Der beste Film eines filmarmen Jahres

Mit drei Oscars schnitt „Nomadland“ bei der letzten Preisverleihung als klarer Sieger ab. Coronabedingt war die Konkurrenz allerdings auch nicht so gegeben, wie das sonst der Fall ist. Was steckt hinter dem modernen Klassiker und der Filmindustrie, die jetzt über ein Jahr im Tiefschlaf lag?

Dieser sogenannte Roadmovie erzählt von einer 60-jährigen Frau, die, nachdem sie ihren Mann und im Zuge der Weltwirtschaftskrise auch ihren Job verloren hat, mehr oder weniger freiwillig als Nomadin durch die USA streift. Dabei hält sie sich mit Jobs wie dem, in einem Paketlager von Amazon, knapp über Wasser und lernt auf ihrer Reise andere kennen, die ihr Schicksal teilen. In dieser Hauptrolle findet sich Frances McDormand wieder, der es gelingt, dem Publikum die blanke Armut und Nacktheit der Charaktere auf unangenehme Weise nahezubringen. Auch Regie und Kamera waren hier gut umgesetzt und trotzdem haben, wenn man sich umhört, nicht wenige den Film derart langweilig gefunden, dass sie ihn sie kein zweites Mal ansähen.

Nun ist das keine große Überraschung, denn im Laufe der Spielzeit – und ich verwende den Begriff „Handlung“ hier absichtlich nicht – passiert im Grunde gar nichts. Es wird keine richtige Story erzählt. Die Charaktere machen weder Veränderung durch, noch haben irgendeinen Einfluss auf die Welt um sich. Von Ambitionen oder Philosophien ganz zu schweigen. Viel mehr fühlt es sich wie eine sehr gut gemachte Reportage, denn als Spielfilm an. Darin findet Regisseurin Chloe Zhao aber genau das, was sie von dem Film abverlangt. Die dünne Linie, zwischen gespielten Geschichten und reportagiger Realität, ist kaum zu erkennen. Dieser Effekt wird noch dadurch verstärkt, dass mit der offensichtlichen Ausnahme von Frances McDormand kaum Schauspieler auftreten. Die Mehrheit sind reale Nomaden, die die Regisseurin und ihr Lebenspartner, der Kameramann, auf einem dem Film vorrausgehenden Roadtrip kennengelernt haben. Wie diese filmtechnisch wenig professionellen Charaktere vor die Kamera und von der, fast möchte man sagen Reporterin, der Protagonistin aus sich herausgeholt werden, ist einzigartig.

Und doch bleibt das Ende, ähnlich wie der Rest des Films leer. Keine Erzählung. Keine packenden Aussagen. Kein Punkt, den man rüberbringen wollte. Wie ist es möglich, mit einem derartigen Vakuum, derartig viele Leute zu begeistern? Zum einen liegt das wahrscheinlich daran, dass 2020 nicht viel Filme mit Blockbuster Status herausbrachte. Wenn man an die Oscarpreisverleihung des Vorjahrs denkt, trifft man auf Parasite, Joker, Once upon a time in Hollywood und 1917, wo man schon eher nachdenken muss, welcher da jetzt genau der Beste ist. Dass die Corona Pandemie der Spielfilmwirtschaft einen derartigen Dämpfer gab, ist zum einen darauf zurückzuführen, dass sich bei einem Dreh regelmäßig riesige Mengen auf einem Haufen befinden. Um ein Extrembeispiel zu nennen, arbeiteten bei Gandhi von 1982 annähernd 300.000 Statisten. Weshalb dies in der jetzigen Zeit eher unerwünscht ist, braucht keine weiteren Erklärungen. Dem kam man allerdings schon im Sommer 2020 mit einer exzessiven Teststrategie entgegen, als das noch nicht so verbreitet war. Das viel größere Problem, das klassische Filmmacher, die Netflix und Prime zu umgehen versuchten, waren die geschlossenen Kinos und die damit einhergehende Angst, ein volles Verlustgeschäft zu machen.

Es stimmt also, dass es diesen Umständen nach weniger Konkurrenz als in den Vorjahren gab. Doch noch mehr traf der Film, weil er die Stimmung von 2020 so schön spiegelte. Und das wohl eher zufällig, wenn man bedenkt, dass die Dreharbeiten schon 2018 anliefen und somit schon lange vor Pandemiebeginn beendet waren. Es wird ein Jahr porträtiert, das von Langeweile, Monotonie und Abgeschiedenheit geprägt war. Ein Jahr, in dem es keinen neuen James Bond oder Tarantino braucht. Ein Jahr, in dem man zur Ruhe kommt und sich auf die ganze Action vorbereitet, die jetzt kommt.

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3 Replies to “Nomadland – Der beste Film eines filmarmen Jahres”

  1. Eine wertvolle Analyse. Es ist für mich nicht verwunderlich, dass ein so geschmackloser und unspektakulärer Film mit 3 Oscars ausgezeichnet wird, wenn man bedenkt, dass die ganze Filmindustrie, mit wenigen, vorwiegend Italienischen, Ausnahmen, langsam vor die Hunde geht! Woran liegt das?

  2. Der seit Jahren andauernde Missbrauch einer wunderbaren Kunstform wurde mit diesem Film aus dem mittlerweile zur Bedeutungslosigkeit verkommenen Hollywood sicherlich, da ich mir der Kompetenz des Autors, welcher diesen Artikel zu unser aller Glück verfasst hat, sicher bin, wieder erneut verdeutlicht!

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