Neos-Gesundheitssprecher Loacker: „Sollten Kinder bei Pandemiebekämpfung in Ruhe lassen“

In einem seiner letzten Interviews als Gesundheitssprecher beantwortet Neos-Abgeordneter Gerald Loacker die Fragen von frisch-Chefredakteur Lucas Ammann und spricht über „die größten Verlierer der Krise“, Corona-Impfungen und über den Schul- und Pandemieherbst. Loacker ist gegen eine 1G-Regel und würde auch keine Corona-Tests an Schulen mehr vorschreiben. Wie er frisch verrät, wird er demnächst seine Sprecherfunktion im Bereich Gesundheit an seine Kollegin Fiona Fiedler abgeben.

Lucas Ammann (frisch): Schulen, Universitäten, Arbeitsmarkt, Pensionen, psychische Gesundheit – in den meisten dieser Bereiche haben die jungen Menschen am meisten verloren. Bildungseinrichtungen wurden geschlossen, junge Menschen verloren ihren Job, viele haben psychische Probleme aufgrund der Corona-Maßnahmen.  Ist die nächste Generation der größte Verlierer dieser Krise?

Gerald Loacker: Das kann man auf jeden Fall sagen. Die jungen Menschen haben nämlich nicht nur bei der Bildung verloren, bei der man ihnen eineinhalb ‚normale‘ Ausbildungsjahre gestohlen hat, die junge Generation hat auch schlechtere Jobeinstiegschancen und Aufstiegschancen in der Wirtschaft. Auch der Schuldenberg, der von der Regierung angerichtet wurde, muss von den Jungen übernommen werden.

Die Regierung hat jetzt einen „Vier-Punkte-Plan“ für eine „sichere Schule“ vorgestellt. Darin sind unter anderem Abwasseranalysen und PCR-Tests enthalten. Was halten die Neos davon?

Gerald Loacker: Die Politiker, die es nicht geschafft haben, bei den Erwachsenen eine gute Durchimpfungsrate zu erreichen, versuchen jetzt Pandemiebekämpfung über die Kinder. Damit instrumentalisieren die Regierenden diese Kinder. In anderen Ländern wie Dänemark, wo über 80 Prozent geimpft sind, können jetzt schon wieder Maßnahmen aufgehoben werden – in Österreich sind gerade einmal 58 Prozent der Menschen doppelt gegen Corona geimpft. Für uns Neos steht jedenfalls fest: Die Konzentration der jetzt noch notwendigen Maßnahmen muss auf den Erwachsenen liegen – nicht auf den Kindern.

Das heißt, Schulschließungen wären ein No-Go?

Gerald Loacker: Das ist ein absolutes No-Go. Ich sehe jedoch die große Gefahr, dass wir den jungen Menschen ein viertes Semester stehlen: Im Herbst wird wieder mit Massentestungen in den Schulen begonnen. Wer viel testet, wird auch wieder Positive haben. Somit werden Schüler*innen wieder nachhause geschickt – gemeinsam mit den K1-Personen. Die Eltern dieser Schüler*innen müssen auch wieder zuhause bleiben, weil sie ihre Kinder nicht unbeaufsichtigt lassen können.
Mit großer Wahrscheinlichkeit haben wir also wieder kein normales Schuljahr, weil bei mehreren Fällen an einem Schulstandort auch wieder Schulen geschlossen werden werden.

„Schulschließungen sind ein absolutes No-Go!“

Gerald Loacker über den Pandemie-Herbst

Heißt das, wir sollten die Corona-Tests an Schulen weglassen?

Gerald Loacker: Für den Schulbesuch würde ich keinen verpflichtenden Test vorschreiben. Wir sollten bitte die Kinder in Ruhe lassen und die Pandemiebekämpfung bei den Erwachsenen machen.

Ab welchem Alter soll die 2G-Regel dann gelten?

Gerald Loacker: Wir schlagen vor, ab einem Alter von 16 Jahren. Da kann man in verschiedenen Bereichen des Lebens eine Impfung oder natürliche Immunisierung verlangen – unter diesem Alter sollte man die Menschen in Ruhe lassen.

„Personen unter 16 Jahren sollten wir in Ruhe lassen – wir müssen uns auf die Erwachsenen konzentrieren“

Jetzt gibt es bei einer bestimmen Anzahl von Geimpften auch sogenannte Impfdurchbrüche. Wenn man Nicht-Geimpfte jetzt verpflichtet, sich testen zu lassen, müsste man von Geimpften und Genesenen nicht einen Antikörpertest verlangen, weil nur Menschen mit Antikörper wirklich geschützt sind?

Gerald Loacker: In der Medizin ist nichts hundertprozentig. So hat auch die Corona-Impfung keinen hundertprozentigen Schutz, nicht jede*r reagiert mit einer ausreichenden Immunreaktion – ähnlich ist es nach einer Infektion beziehungsweise einer Erkrankung. Da muss man die Kirche im Dorf lassen. Unabhängig davon bin ich aber schon dafür, dass Antikörpertests gemacht werden, das fordern wir schon lange. Denn wenn wir davon ausgehen, dass zwei Millionen Menschen die Krankheit bereits durchgemacht haben und immun sind, brauchen wir im Moment für diese große Gruppe weder Corona-Tests noch Corona-Impfungen. Damit haben sich aber weder Gesundheitsminister Mückstein noch sein Vorgänger wirklich beschäftigt. Dieses Potential wird nicht genützt, es gibt weder eine Definition, welche Antikörpertests anerkannt werden, noch welches Niveau an Antikörper notwendig ist.

Gerald Loacker ist seit dem Abgang von Sepp Schellhorn Wirtschaftssprecher der Neos. Während er die Sozialagenden behält, gibt er demnächst die Gesundheitsthemen an seine Kollegin Fiona Fiedler ab. Foto: © NEOS

Viele Menschen sagen ja: Die Entscheidungen über die Corona-Maßnahmen sollten von Expert*innen und nicht von Politiker*innen getroffen werden. Da befinden wir uns in einem Spannungsverhältnis zwischen Politik und Medizin: Wie viel Politik erlaubt die Corona-Frage?

Gerald Loacker: Was man sicher sagen kann: In Österreich war zu viel Politik und zu wenig Wissenschaft – und zwar bereits ab dem 30. März 2020. Als Sebastian Kurz von Hunderttausenden Toten gesprochen hat, war schon klar, dass solche Aussagen wissenschaftlich niemals halten werden. Das haben andere Länder wie Deutschland besser gemacht. In Österreich wurde auch viel im Dunkeln gehalten – wie die Protokolle der Beraterstäbe. In Deutschland hat Herr Wieler vom Robert-Koch-Institut (RKI) Empfehlungen gemacht, auf die man gehört hat.
Jedoch ganz ohne Politik geht es nicht: Sie hat die Aufgabe, verschiedene Interessen – nicht nur die gesundheitspolitischen – auszugleichen und zu berücksichtigen.

„In Österreich war zu viel Politik und zu wenig Wissenschaft“

Viele Expert*innen, aber auch Politiker*innen berichten von Anfeindungen während der Corona-Pandemie. Gibt es viel hasserfülltes Feedback – und ist das schlimmer geworden?

Gerald Loacker: Es gibt viel hasserfülltes Feedback, ich bin das jedoch schon recht gewohnt, weil ich auch vor der Corona-Pandemie immer wieder umstrittene Forderungen gemacht habe – das muss man als liberaler Politiker auch. Denn liberale Politik ist nichts für die Mehrheit, das spiegelt sich dann auch im Feedback wider.

Wie ist der Umgang eigentlich im Parlament zwischen den verschiedenen Fraktionen? Die FPÖ ist ja beispielsweise ganz anderer Meinung beim Thema Impfen …

Gerald Loacker: Wir sitzen direkt neben den FPÖ-Abgeordneten und bekommen das also sehr gut mit. Es gibt natürlich genügend FPÖ-Abgeordnete, die geimpft sind, es aber auch nie öffentlich zugeben würden. Grundsätzlich sollte sich jede*r Politiker*in bemühen, in anderen Fraktionen gute Gesprächspartner*innen zu haben.

Gibt es diese Gesprächsbasis zum Beispiel mit der oft in Corona-Fragen auftretenden Abgeordneten Dagmar Belakowitsch?

Gerald Loacker: Kollegin Belakowitsch ist Medizinerin und kennt sich gut aus – ist vielleicht aber hin und wieder bereit, zugunsten der politischen Message das Fachwissen hintanzustellen. Aber sie trifft auch oft den Punkt: Bei sinnlosen Regierungsmaßnahmen konnte sie auch fachlich kompetent darauf hinweisen. Masken im Freien waren zum Beispiel immer ein Unfug. Solche Dinge hat Kollegin Belakowitsch immer treffend kritisiert. Persönliche habe ich zu ihr auch ein kollegiales Verhältnis – wir kennen uns ja auch schon seit acht Jahren im Nationalrat.
Das gilt aber für die meisten Kolleg*innen im Gesundheitsausschuss: Man kann vernünftig miteinander reden.

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