Wie wird man US-Präsident?

Der US-Wahlkampf geht in die letzte Runde, beide Kandidaten kämpfen verbissen um unentschiedene Stimmen. Das Mehrheitswahlrecht der Vereinigten Staaten führt dazu, dass nur wenige Stimmen den Wahlausgang entscheidend beeinflussen können. Doch wie wird der Präsident eigentlich gewählt?

Anders als in Österreich wird der Präsident nicht direkt vom Volk gewählt, sondern indirekt durch die Wahlleute im sogenannten Electoral College. Sie werden alle vier Jahre vom Volk gewählt und stimmen über die Ernennung von Präsident und Vizepräsident ab.

Historische Hintergründe

Entstanden ist dieses System schon im Jahr 1787 während des Verfassungskonvents der Vereinigten Staaten, bei dem die Funktion des Electoral College im 2. Artikel der Verfassung festgelegt wurde. Zu dieser Zeit wäre ein direktes, nationales Mehrheitswahlrecht bedingt durch die Größe des Landes und die schwierige Kommunikation logistisch unmöglich gewesen. Zunächst bestimmten die Parlamente der Staaten die Wahlleute, später forderte die Bevölkerung mehr Mitspracherechte und das System des indirekten Mehrheitswahlrechts in seiner heutigen Form war geboren.

Besonders profitierten davon die bevölkerungsmäßig kleineren Staaten, die so mehr Macht erhielten als bei einer nationalen Wahl. Auch die Südstaaten wurden bevorzugt, nachdem die Anzahl der Wahlmänner pro Bundesstaat damals strikt nach der Bevölkerungszahl zugeteilt wurde. In diesen Bundesstaaten war ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung Sklaven, die zwar nicht wahlberechtigt waren, aber bei der Volkszählung als Drei-Fünftel-Person gezählt wurden.  

Funktion des Electoral College

Am Wahltag wählt die Bevölkerung die sogenannten Wahlleute in ihrem Bundesstaat. Sie treten dann 41 Tage später als Electoral College zusammen und wählen Präsident und Vizepräsident in getrennten Abstimmungen. Um die Wahl zu gewinnen, benötigt man eine absolute Stimmenmehrheit von 270 der insgesamt 538 Wahlleuten. Sollte es bei der Abstimmung des Electoral College zu einem Stimmengleichstand kommen, ist auch dafür vorgesorgt: Der 12. Zusatzartikel zur Verfassung regelt, dass dann das neu gewählte Repräsentantenhaus über die Besetzung des Präsidentschaftsamtes entscheidet.

Jeder Bundesstaat entsendet zwischen drei und 55 Wahlleute, wobei die Anzahl lose mit der Bevölkerungszahl zusammenhängt. Sie basiert auf der Anzahl der Vertreter, die ein Bundesstaat in beiden Häusern des Kongresses zusammen hat. Praktisch bedeutet das, dass die Anzahl der Einwohner, die eine Wahlperson vertritt, stark variieren kann. Zusätzlich gilt in 48 der 50 Bundesstaaten das „Winner-takes-it-all“ Prinzip, wonach die Stimmen der Wahlleute nicht proportional zum Wahlergebnis verteilt werden, sondern der gewinnende Kandidat alle Wahlleutestimmen erhält. Das gibt speziell den Swing-States ihre große Bedeutung. Der Wahlausgang in diesen Bundesstaaten ist meist knapp, trotzdem erhält der Gewinner viele Stimmen auf einen Schlag.

In etwa der Hälfte der Bundesstaaten sind die Wahlleute gesetzlich an die Entscheidung der Wähler gebunden, in den anderen ist es ihnen auch möglich, gegen den Wählerwunsch abzustimmen. Praktisch kommen diese sogenannten „faithless electors“ jedoch selten vor.

Das Wahlsystem durch das Electoral College ist auch der Grund, wieso ein Präsidentschaftskandidat ohne Stimmenmehrheit des Volkes die Wahl gewinnen kann. Das war zum Beispiel 2016 der Fall, als Donald Trump Präsident wurde, obwohl die demokratische Kandidatin Hillary Clinton mit 2,9 Millionen mehr Stimmen das Popular Vote für sich entscheiden konnte.

Vor dem Hintergrund dieser komplexen Wahlordnung und den zahlreichen Einflussfaktoren rund um das Electoral College bleibt der Wahlausgang wohl bis zur letzten Minute spannend. Wenn die Präsidentschaftswahlen 2016 eines gezeigt haben, dann ist es die Unberechenbarkeit des amerikanischen Wahlsystems.

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