Im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins ist es still geworden. Jegliches Getuschel ist verstummt. Stattdessen richtet das Publikum gebannt seine erwartungsvollen Blicke auf die Bühne. Ein alter, aber rüstiger Mann betritt sie und erntet noch vor dem ersten Stück tosenden Applaus. Denn es ist niemand Geringeres als die Filmmusik-Legende schlechthin: John Towner Williams.
Während man Williams – der heute auf den Tag genau seinen 90. Geburtstag feiert – „nur“ als den Schöpfer legendärer Filmmusiken kennt, ist vielen unbekannt, dass dessen ursprünglicher Berufswunsch ein gänzlich anderer war. Wie auch sein Vater wollte der schon früh musikalisch talentierte John Williams anfänglich Berufsmusiker werden. Im Alter von sieben Jahren erhielt er seinen ersten Klavierunterricht, wenig später folgten auch Instrumente wie Posaune, Trompete und Klarinette. Als Jugendlicher sammelte er Erfahrungen in diversen Bandformationen, wobei der heutige Oscar-Preisträger bereits einige Stücke arrangierte.
Sein musikalisches Talent erkannte man auch beim Militär, als Williams dort diente. Ab sofort zog man den jungen Musiker für die Position des Dirigenten und Arrangeurs heran. Bald darauf wurde John Williams von dem US-Filmstudio „Columbia Pictures“ unter Vertrag genommen, was sich als schicksalsweisend für die Laufbahn der nunmehrigen Legende herausstellen sollte. Er wurde von den Studiokomponisten gefördert und galt bereits in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts als eine Art „Geheimtipp“ in der Filmmusik-Branche.
Durchbruch mit Jaws
Bis heute gibt es nur wenige Komponisten, denen ein ähnlicher Geniestreich gelang wie Williams. Aus simplen Klängen schuf er das wohl einprägsamste Leitmotiv der Filmgeschichte: Das Hai-Thema aus „Jaws“, für das er 1975 auch seinen zweiten Academy Award erhielt. Von nun an war er endgültig im Olymp der Filmmusik angekommen, viele Regisseur*innen rissen sich regelrecht um das Engagement Williams.
Eine immerwährende Freundschaft
Einzigartig ist aber die Beziehung zu Kult-Filmemacher Steven Spielberg. Beide verbindet eine Jahrzehnte überdauernde, tiefe Freundschaft. Eine vergleichbare sucht man in Hollywood sonst vergeblich, die zudem auch dermaßen erfolgreich ist. So vertonte er Klassiker wie „Indiana Jones“, „Jurassic Park“ und „Schindler‘s List“, für welche er ebenfalls mehrere Auszeichnungen erhielt und die Zuseher*innen beziehungsweise Hörer*innen auf der ganzen Welt zutiefst berührte und faszinierte.
„Er sagte nie zu mir: ‚Das gefällt mir nicht‘ oder ‚Das wird nicht funktionieren‘. […] Ihm gefiel alles, auch die Fehler.“
John Williams über die Freundschaft zu Steven Spielberg
Ein Mensch geblieben
Im Gegensatz zu vielen anderen Hollywoodgrößen drängte sich Williams nie in die vorderste Reihe. Stattdessen blieb er auch trotz seiner großen Erfolge immer am Boden. Deutlich wird dies dadurch, dass er eigentlich nie den Soundtrack zu „Schindler’s List“ komponieren wollte.
„Du benötigst einen besseren Komponisten für diesen Film, als ich es bin.“
John Williams zu Steven Spielberg über „Schindler’s List“
„Ich weiß, aber die sind alle tot.“
Steven Spielberg zu den Zweifeln Williams‘
Trotzdem überwand er sich und kreierte einen der erfolgreichsten Soundtracks der Filmgeschichte. Erst im neuen Jahrtausend musste er zum ersten Mal kritische Stimmen der Presse einstecken. Seine Musik sei – im Gegensatz zu seinen vorherigen Werken – „eher unscheinbar“ geworden. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Williams von nun an einen anderen Weg gegangen ist und neue Techniken ausprobierte. Trotzdem ist seine Einzigartigkeit nicht verloren gegangen. Gerade in dem für die Legende untypischen Stil liegt für den bekannten österreichischen Musiker Stefan Gottfried der Reiz, wie er zu „Catch Me If You Can“ anmerkt: „Das ist wirklich eine Musik von Williams, die anders ist als seine anderen. Die hat wirklich etwas Spezielles, […] ist teilweise sehr reduziert und transparent. […] Spannend ist, dass das Saxophon im Vordergrund steht.“
So darf man am heutigen Tag John Williams – der im März wieder im Wiener Musikverein auftritt – zu seinem Oeuvre und 90. Geburtstag herzlich gratulieren! Früher hatten sie Mozart oder Beethoven, wir haben John Williams.